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Toskana

Möchte Leo nicht gefunden werden, macht er dies ganz einfach. Er steckt seinen Kopf (und nur diesen!) in seine Höhle. Und wenn er nichts mehr sieht, dann kann er auch von keinem anderen gesehen werden. Leo ist ein Kaninchen.

Nach dem gleichen Prinzip funktioniert ein junges amerikanisches Paar. Sie sitzen im Bus, der vom Flughafen von Florenz ins Stadtzentrum fährt, und unterhalten sich lautstark darüber, wie viele hundert Euros sie für ihre Dollar bekommen haben. Und da sie sich auf Englisch unterhalten, wird sie in Italien bestimmt keiner verstehen (da zum einen die Italiener bestimmt nur Italienisch sprechen und im Flughafenbus auch nicht mit Nicht-Italienern zu rechnen ist…).

Nicht, dass der falsche Eindruck aufkommt, ich würde zwei jungen Amerikaner mit Leo vergleichen! Das hätte Leo nämlich nicht verdient.

Geld umtauschen muss ich allerdings nicht. Denn die Busfahrt findet im Herbst 2010 statt, etwas mehr als 25 Jahre nach meinem ersten Besuch in Florenz. Und statt D-Mark und Lire haben wir alle den Euro.

Vor dem Flughafenbus kommt allerdings erst noch der Flug. Und vor dem Flug das Finden des Abfluggates. München, Terminal 2. Laut Bordkarte soll ich zu Gate G65. Kein Problem sollte man meinen. G65 ist allerdings nicht irgendwo zwischen G40 und G80, sondern unterhalb von G33.

Der Flug über die Alpen ist traumhaft. Die Dolomiten als Inseln in den Wolken. Das ganze im sanften Abendlicht. Mein Fotografenherz schlägt höher. Als Mahlzeit gibt es bei Air Dolomiti einen Pudding. Da ich zum Löffeln bei den extrem beengten Verhältnissen im Flugzeug keinen Platz finde, hebe ich mir den Pudding für später auf. Später esse ich den Pudding allerdings auch nicht mehr, vielmehr muss ich den Pudding mühsam aus meinem Rucksack waschen. Auf dem Weg ins Hotel ist der Becher geplatzt.

Picadilly Hotel Florenz

Picadilly Hotel Florenz

Das Hotel – Picadilly – in Florenz ist in Ordnung. Einfaches Zimmer. Zentral gelegen.

Das Besichtigungsprogramm in Florenz beginnt mit dem Dom. Oder besser gesagt, mit seiner fantastischen Kuppel. Der frühe Morgen ist dafür von großem Vorteil, da dann die Auf- und Abgänge (die teilweise den gleichen Weg nutzen) noch nicht so stark mit Menschen verstopft sind. Und es endet spät abends wieder mit ihm.

In Florenz gibt es so viel zu sehen. Und das Wetter ist – an diesem ersten Tag – bestens. Deshalb gibt es tagsüber zwischendurch nur Kleinigkeiten aus dem Supermarkt. Nur, sind italienische Supermarkt-Kassiererinnen verpflichtet, während ihrer Arbeit ununterbrochen auf ihrem Handy zu telefonieren? Zugegebenerweise beherrschen sie diese Form des Multitaskings perfekt.

Außer Florenz schaue ich mir noch weitere Städte der Toskana an: Siena, Pisa und Lucca.

Ein guter Startpunkt in Siena ist der Torre del Mangia, man hat einen wunderschönen Blick auf die Stadt und ihre Umgebung. Nicht ohne Grund gilt Siena als eine der schönsten Städte der Toskana und Italiens. Während Florenz stark von der Renaissance geprägt ist, hat Siena den mittelalterlichen Charakter der italienischen Gotik erhalten.

In Pisa bin ich etwas genervt. Der Dom und das Baptisterium sind wegen eines lokalen Festes bei meiner Ankunft schon geschlossen. Der Schiefe Turm ist zwar noch offen, allerdings für 15 Euro und nur mit einer geführten Gruppe – da belasse ich es lieber in der Erinnerung an 1985 (zum damaligen Zeitpunkt war der Turm sogar noch über 40 Zentimeter schiefer!). Und zu guter Letzt ist der Weg zum naheliegenden Bahnhof kaum auffindbar. Schilder, die auf seine Lage hinweisen würden, sind nicht vorhanden. Und am Bahnhof selbst ist dann auch noch der Getränkeautomat kaputt…

Am frühen Abend bin ich noch in Lucca. Die zahlreichen romanischen Kirchen, die mittelalterlichen Türme und die rund um die Altstadt erhaltene Befestigungsanlage zeugen noch heute von der einstigen Größe und Wichtigkeit dieser Stadt. Besonders schön soll der Turm mit den Steineichen sein, leider hält er sich nicht an die im Reiseführer angegebenen Öffnungszeiten. Was allerdings mehr oder weniger für alle in meinen Reiseführern angegebenen Zeiten gilt. Die Haltbarkeit solcher Angaben ist – wohl besonders in Italien – ziemlich beschränkt.

Andalusien

Flughafen München. Der Abflug des Air Berlin-Fluges nach Málaga wird schon zum zweiten Mal um eine Stunde verschoben. Waren die Probleme beim ersten Mal noch von „allgemeiner Natur“, sind sie jetzt konkreter, die Befestigung einer Notrutsche macht Zicken. Ein Grund sich Sorgen zu machen? Wohl eher nicht… Ein Flugausfall am eigenen Geburtstag? Das geht nicht.

Der etwas holprige Beginn der Reise setzt sich nach der Landung in Málaga fort. Langes Warten auf das Gepäck, völlig unnötige Schwierigkeiten beim Auffinden der Mietwagenfirma (die alte Weisheit, dass, wer lesen kann, sich klar im Vorteil befindet, hatte hier mal wieder seine Berechtigung…) und zu guter Letzt der Umstand, dass es eine auf der Karte eingezeichnete Autobahn in der wahren Welt noch gar nicht gibt.

Erstes Ziel ist der Felsen von Gibraltar. Da gerade kein Flugzeug startet oder landet, geht der Grenzübertritt schnell. Was der Grenzübertritt mit einem Flugzeug zu tun hat? Die Straße von Spanien nach Gibraltar verläuft quer über die Start- und Landebahn. Und wenn eben ein Flugzeug starten oder landen will… Eben.

The Rock Hotel in Gibraltar

The Rock Hotel in Gibraltar

In (oder auf?) Gibraltar ist alles very british, von der Steckdose bis zum Geld. Überlegungen der britischen Regierung im fernen London, Gibraltar an Spanien zurückzugeben, findet in der lokalen Bevölkerung nicht wirklich viel Zustimmung. 2002 stimmten 99 % der Abstimmenden für einen Verbleib unter britischer Herrschaft. Den Hinweis, die Fenster im Hotel bei Abwesenheit geschlossen zu halten, versteht man schnell. Selbst rund ums Hotel wimmelt es von Affen. Die auf Gibraltar lebenden Berberaffen sind die einzigen freilebenden Affen in Europa.

Von Gibraltar geht es nach Sevilla. Die andalusische Hauptstadt ist die einzige Stadt Andalusiens, die ich schon einmal besucht habe. 1992, anlässlich der Weltausstellung, als Abstecher einer Portugal-Reise. Das alte EXPO-Gelände macht jetzt aber einen teilweise ziemlich heruntergekommenen Eindruck. Ansonsten ist die Stadt eine strahlende Schönheit.

Hotel Monte Triana in Sevilla

Hotel Monte Triana in Sevilla

Das gilt auch für Granada, die nächste Station der Rundreise. In schwüler Hitze geht es zu Fuß hinauf zur Alhambra. Erinnerungen an Marrakesch machen sich dort breit. In der Altstadt Granadas die fast völlig von Häusern eingepferchte Kathedrale.

Hotel Hesperia in Granada

Hotel Hesperia in Granada

In der Hügellandschaft zwischen Granada und Córdoba liegt das Städtchen Priego de Córdoba, eines der weißen Dörfer Andalusiens.

Die Mezquita de Córdoba war nicht nur die Hauptmoschee des maurischen Spaniens, sie ist auch der größte Moscheebau Europas. Oder besser war. Denn seit der Reconquista ist sie eine katholische Kathedrale. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche in den Gebetssaal der Moschee hineingebaut.

Hotel Eurostars Maimonides in Córdoba

Hotel Eurostars Maimonides in Córdoba

Wie schon in den beiden Jahren zuvor, gibt es auch dieses Mal während meiner „Geburtstagsreise“ ein Konzert. Nach Bruce Springsteen 2008 im Camp Nou in Barcelona und U2 bei ihrem Heimspiel 2009 im Dubliner Croke Park ist es 2010 Mark Knopfler in dem eher beschaulichen Ambiente der Stierkampfarena von Córdoba. Obwohl der Auftritt in Córdoba eines der letzten Konzerte seiner Get Lucky-Tour ist, machte sowohl der Meister selbst als auch seine Mitstreiter einen spielfreudigen Eindruck. Allerdings war die Set List im Vergleich zu früheren Konzerten der Tour leicht gekürzt. Eher grenzwertig war allerdings der Krach, Konzertbesucher in Spanien unterhalten sich ständig und lautstark, was gerade bei ruhigen Passagen doch schon mal gewaltig nervt. Das gelegentlich auftretende Publikumszischen löst immer nur ein kurzes Schweigen aus. Auch die vor Konzertbeginn ausgesprochene Bitte keine Blitzlichter beim Fotografieren zu nutzen wird völlig ignoriert. Ein wahres Blitzlichtgewitter geht anfangs durch die Arena – wann sagt den Leuten endlich mal jemand, dass der Blitz einer Kompaktkamera dann doch keine 30 Meter reicht? Bei aller Kritik, die Begeisterung des spanischen Publikums, besonders bei den Dire Straits-Klassikern Romeo and Juliet, Sultans of Swing und Telegraph Road, ist riesig und ansteckend.

Nicht nur in der Stierkampfarena herrschen heiße TemperaturenGuy Fletcher, Mark Knopflers Keyboarder seit Dire Straits-Zeiten, schreibt in seinem Blog von 46 Grad während des Bühnenaufbaus. In den von mir im Juli 2010 besuchten Orten Andalusiens sinkt die Temperatur erst nach Sonnenuntergang unter 30 Grad. Aber dies ist nicht wirklich eine Überraschung. Überrascht bin in vielmehr davon, dass Andalusien, zumindest in den Gebieten, die ich auf dieser Reise durchquere, einen verhältnismäßig grünen Eindruck macht. Ich hatte eine vertrocknete Landschaft erwartet. Die Berge sind voll von einer schier unendlichen Anzahl von Olivenbäumen. Und wenn es mal keine Olivenbaumplantagen gibt, dann eben Sonnenblumenfelder.

Hotel Posadas de España in Málaga

Hotel Posadas de España in Málaga

Der Abschluss der kleinen Rundreise durch Andalusien bildet Málaga: Baden an der Costa del Sol und ein abendlicher Blick vom Monte Gibralfaro auf die Stadt. Dazu ein Reisejubiläum. Genau 25 Jahre früher begann – nicht nur für mich – das Reisen durch europäische Länder auf dem Bahnhof in Donaueschingen mit der Abfahrt des Nachtzuges nach Paris.

Eine Andalusien-Reise besteht nicht nur aus dem Abklappern von Sehenswürdigkeiten und Fotografieren. Auch wenn mancher, der mich zu kennt, das denken mag… Nein, meine geliebten Gambas al ajillo gab es in diesen Tagen – glaube ich – jeden Tag, und abends dazu ein kühles Bier.  Die schon vorab gebuchten Hotels – immerhin mit 3 oder 4 Sternen dekoriert – waren überraschend günstig. Hochsommer ist wohl nicht die Hochsaison für anadalusische Städte. Aber wenn man die Mittagshitze meidet, ist es eine schöne Zeit dorthin zu reisen.

Am Rande erwähnt (3) – Deep Purple und ich

Die Erkenntnisse eines Wochenendes im November 2010:

  1. Roger Glover kann Bass spielen.
  2. Child in Time ist und bleibt einer der größten Rock-Songs aller Zeiten – auch (oder vielleicht gerade), wenn es in einer klassischen Konzerthalle gespielt wird.

Punkt 1 überrascht nicht wirklich, sollte man meinen, schließlich ist Roger Glover über 40 Jahre Bassspieler, davon die meiste Zeit bei Deep Purple. Zusammen mit Schlagzeuger Ian Paice bildet er die wohl beste Rythmn Section der Rockgeschichte (die eine oder andere Bewertung in diesem Beitrag könnte eventuell – zumindest etwas – subjektiv eingefärbt sein). Nur, was vor nicht allzu langer Zeit (Band-historisch betrachtet) begann, war, dass Roger plötzlich live Solos spielt, ein Vorrecht, dass Jahrzehnte der Gitarre und dem Keyboard bei Deep Purple vorbehalten war. Und was er an diesem Novemberabend in der Mitte des Zugabenteils in der Münchner Olympiahalle bot, hat mich vom (wenn auch imaginären) Hocker gehauen.

Zu Punkt 2 komme ich später. Erst ein Blick zurück. Weit zurück. Ok, relativ weit zurück…

Meine Jugendzeit war – rein musikalisch betrachtet – reichlich indifferent (um es mal vorsichtig auszudrücken). Das Radio lief – oder auch nicht. Die Platte, die mein musikalisches Leben verändern sollte, war Perfect Strangers, mit dem Deep Purple in ihrer legendären Mark 2-Besetzung (Ritchie Blackmore, Ian Gillan, Roger Glover, Jon Lord und Ian Paice) 1984 ihre Rückkehr feierten. 1976 hatte sich die Band – d.h. das, was von ihr zu diesem Zeitpunkt noch übrig war – aufgelöst.

Meine erste eigene Platte (zu einem eigenen Plattenspieler sollte ich es allerdings nicht mehr bringen…) war dann aber nicht Perfect Strangers (das hatte ich schon auf Cassette, noch so ein Medium das im MP3-Zeitalter kaum noch einer kennt), sondern Greatest Purple, ein Doppelalbum mit den Band-Höhepunkten aus den 1960er und 1970er Jahren. Um es kurz zu machen, ich hatte meine Lieblingsband gefunden (und bis heute behalten – auch wenn sich mein musikalisches Spektrum im Laufe der Zeit noch ausweiten sollte…).

Live sollte ich Deep Purple erst im Rahmen der House of Blue Light-Tour sehen. Stuttgart, Schleyerhalle, 18. Februar 1987. Schon Wochen vorher fieberte ich auf den Termin hin. Ziemlich früh war ich dort, um einen (Steh-) Platz weit vorne zu bekommen.

Deep Purple Stuttgart 1987

Deep Purple Stuttgart 1987

Die Vorgruppe war überstanden. Bühnenumbau. Dunkelheit. Die ersten Trommelschläge von Highway Star. Ich glaube, ich bin den Rest des Abends nur mit offenem Mund dagestanden.

Noch im Sommer des gleichen Jahres sah ich Deep Purple das zweite Mal, dieses Mal als Headliner des Monster of Rock-Open Air-Festivals in Pforzheim. Langes Warten in drückender Hitze bis zum Höhepunkt des Tages, der mit Smoke on the Water zu später Stunde ein Ende fand.

1988 brachte eine neue Herausforderung mit sich. Eine Deep Purple-Tour, die nur Konzerte im Norden Deutschlands beinhaltete. Heute setzt man sich an den Rechner, besucht eine Ticketseite wie eventim im Internet, klickt ein paar Mal drauf rum und schon hat man ein Ticket für irgendwo in der Welt. In der alten Welt von 1988 musste man sich erst alle Informationen durch Telefonanrufe besorgen (erinnerst sich noch jemand an die Telefonpreise von vor 20 Jahren? 10 Mark für ein Ferngespräch, abends nach 18 Uhr…). Egal, das Ticket war irgendwann da. Und es konnte nach Köln gehen.

Deep Purple Köln 1987

Deep Purple Köln 1987

Ohne Plan für die Übernachtung blieben wir – ein Studienfreund und ich – nach dem Konzert noch vor der Halle stehen. Und wurden – weit nach Mitternacht – mit Small Talk und Autogrammen belohnt! Ian Gillan, Roger Glover und Jord Lord haben sich bei dieser Gelegenheit auf meinem Ticket verewigt (das ich für den obigen Scan zum ersten Mal seit Jahrzehnten aus seinem Bilderrahmen geholt habe!). Da das Parkhaus der Veranstaltungshalle über Nacht schloss, fuhren wir noch auf den nächstgelegenen Autobahnparkplatz, um dort im Auto zu übernachten…

Bald nach dieser Tour kam der alte Streit in der Band wieder hoch, er endete damit, dass Ian Gillan durch Joe Lynn Turner, einem alten Kumpel Blackmores aus Rainbow-Zeiten, als Sänger ersetzt wurde. Die dabei entstandene Platte Slaves and Masters war ebenso wie der dazugehörende Liveauftritt (mit Burn als Opener, einer Nummer, die zu Gillan-Zeiten nicht gespielt werden konnte, weil sie aus Coverdale-Zeiten stammt – es solle niemand behaupten, dass die Bandgeschichte von Deep Purple einfach zu durchschauen ist!) nicht schlecht, aber Deep Purple ohne Gillan, da fehlte irgendetwas.

Diese Erkenntnis hatten wohl auch andere. Mit The Battle Rages On… ist die alte, d.h. die legendäre Mark 2-Besetzung wieder zusammen. Was folgt, ist eine Tour mit Höhen und Tiefen. Ich hatte das Glück bei einem Mega-Hoch dabei zu sein, dem Purple-Auftritt im September 1993 in der Stuttgarter Schleyerhalle.

Deep Purple Stuttgart 1993

Deep Purple Stuttgart 1993

Nicht nur meiner Meinung nach ist dies eines der besten Konzerte der Mark 2-Formation überhaupt. Und glücklicherweise durch CD-Veröffentlichungen (Live in Stuttgart 1993 bzw. Live Across Europe 1993) für die Nachwelt erhalten.

Live Across Europe 1993 enthält neben dem Stuttgart-Konzert auch ein späteres Konzert derselben Tour aus Birmingham. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Und die sich im Birmingham-Mitschnitt andeutende Nacht manifestiert sich schon bald. Ritchie Blackmore verlässt noch während der Battle Rages On-Tour die Band (und wird auch nie wieder zurückkehren).

Joe Satriani hat als Purple-Gitarrist nur ein kurzes Intermezzo. Keine Studioplatte entsteht mit ihm. Es bleibt bei Live-Auftritten. Richtig neues Leben kommt erst mit Steve Morse als Gitarristen in die Band. Neue Platten entstehen, unzählige Touren werden absolviert.

Zwei Konzerte sind mir aus der Steve Morse-Ära in besonderer Erinnerung geblieben.

Zum einen der Auftritt Deep Purples gemeinsam mit dem Romanian Philharmonic Orchestra (und weiteren Gästen) in der Münchner Olympiahalle im Herbst 2000, mit der Wiederaufführung des Concerto For Group And Orchestra aus dem Jahr 1969 . Wie sich erst im Nachhinein herausstellen sollte, war die Concerto-Tour auch schon fast der Abschied Jon Lords von Deep Purple. Er bildete zusammen mit Ian Paice die Konstante in der Besetzungsgesichte der Band. Sie waren immer dabei. Jetzt war aber für Lord Schluss, nicht im Streit wie bei Blackmore, er wollte vielmehr eigenen Projekten außerhalb der Band mehr Zeit widmen. Ersetzt wurde er durch Don Airey, einem in der Rockszene sehr bekannten und geschätztem Keyboarder (laut Wikipedia wirkte er an mehr als 200 Alben mit!).

Zum anderen das Konzert in einem Innenhof des Klosters Benediktbeuern im Sommer 2008. Nicht nur das äußere Ambiente war besonders, vielmehr war es der zweite Gitarrist bei Smoke on the Water: Notker Wolf, seines Zeichens der Abtprimas der benediktinischen Konföderation.

Die anderen Deep Purple-Konzerte stehen den genannten nicht nach, jedes einzelne brachte einen unvergesslichen Abend mit sich. Enttäuscht war ich nie! Vielleicht fehlte mal der eine oder andere Song, den man gerne gehört hätte… Woman from Tokyo oder Speed King beispielsweise – und zu Child in Time komme ich ja noch…

Deep Purple München 2010

Deep Purple München 2010

Jetzt war also Deep Purple-Konzert Nummer 19 an der Reihe, wiedermal in der Münchner Olympiahalle. Damit bin ich wieder ganz am Anfang dieses Berichtes. Die Sache mit Roger und dem Bass…

Aber noch nicht ganz am Ende. Denn an diesem steht Child in Time. Wie es der Zufall so wollte, spielte an einem Wochenende im November 2010 nicht nur Deep Purple, sondern auch Jon Lord live in München. Die Auftrittsorte konnten dabei unterschiedlicher nicht sein, da die Olympiahalle, hier die Philharmonie im Gasteig.

Angekündigt wird der Abend als „Jon Lord in Classic„. Allein auf der Bühne ist Jon allerdings nicht, er wird vom Deutschen Filmorchester Babelsberg unter Leitung von Scott Lawton, der Band Demon’s Eye sowie den beiden Sängern Steve Balsamo und Kasia Laska begleitet. Diese Besetzung ist nicht nur ein Versprechen, sie übertrifft alles, was ich von dem Abend erwartet hatte.

Jon Lord München 2010

Jon Lord München 2010

Mit den Worten „It’s always the guitarist“ – der Konzertauftakt durch den Demon’s Eye-Gitarristen stockte – hatte Jon die Lacher auf seiner Seite (wer sollte dabei nicht an den alten Ärger mit Blackmore denken). Was folgte war die komplette Aufführung des oben schon erwähnten Concertos. Im Gegensatz zu meinem ersten Live-Erlebnis nun auch noch in passender Umgebung! In der zweiten Konzerthälfte ging es mit dem Machine Head-Klassiker Pictures of Home weiter. Im Anschluss die Höhepunkte aus Lords umfangreichen Soloschaffen (auch wenn ich nicht gerade der Klassik-Fan schlechthin bin, Pictured Within oder Sarabande finde ich wunderschön).

Als ich dachte, dass der Abend mit Soldier of Fortune (aus dem Purple-Album Stormbringer) seinen Höhepunkt erreicht hätte, kamen drei (!) Töne aus Jon Lords Hammond-Orgel, die mir fast die Tränen in die Augen trieben. Der Anfang von Child in Time. Was ein magischer Moment! Deep Purple selbst spielen die Nummer schon seit Jahren – wohl aus stimmlichen Gründen – nicht mehr. Meine Begeisterung in den nächsten zehn Minuten kannte keine Grenzen mehr.

Long Live Rock ’n‘ Roll!

P.S.1: Sommer 2012. Auch mit Jon Lord wird es Child in Time live nicht mehr geben. Jon verstarb im Alter von 71 Jahren.

P.S.2: Jahresbeginn 2013. Deep Purple kündigen ein neues Studio-Album an. Und weitere Konzerte.