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Porto

Die Freude war groß, als die Auslosung des Champions League-Viertelfinales 2015 dem FC Bayern München den FC Porto bescherte. Nicht nur, weil es sich dabei vermeintlich um einen eher leichten Gegner handelte, sondern insbesondere weil die Mannschaft in einer Stadt beheimatet ist, die ich schon lange auf meiner Reiseliste hatte.

Porto war eines der Ziele meiner Portugal-Rundreise im Jahr 1992. Mit Rucksack, Zelt, Bahn und Bussen ging es quer durchs Land – einschließlich eines Abstechers zur Weltausstellung EXPO ’92 ins spanische Sevilla.

Ponte de Dom Luis I Porto / Vila Nova de Gaia 1992

Ponte de Dom Luis I Porto / Vila Nova de Gaia 1992

Der Wunsch nach Portugal zurückzukehren war da. Dies tat ich dann auch – im Laufe der nächsten gut zwei Jahrzehnte – sogar häufiger. Allerdings kam ich bei diesen Reisen nicht mehr nach Porto. Ein Grund dafür war, dass es von München aus nach Portugal nur direkte Flüge nach Lissabon und in das ganz im Süden gelegene Faro gibt.

Direktflüge München – Porto gibt es auch 2015 nicht. Ich entschied mich für meine Porto-Reise für den „Umweg“ über Lissabon. Am Abend vor dem oben erwähnten Spiel sollte der Flug dort hin gehen, am Abend nach dem Spiel von dort zurück, von Lissabon nach Porto und zurück mit dem Zug. Letzteres schien mir eine gute Alternative zum Mietwagen, da die Preise moderat und die Fahrzeiten gut sind.

In den wenigen Wochen zwischen Buchung und Reise stieg die Vorfreude, nicht nur auf das Spiel selbst, sondern auch auf ein paar frühlingshaft-warme Tage in Portugal. Während sich bei uns die Temperaturen des Öfteren sich nicht weit vom Gefrierpunkt entfernt befanden, lagen die Temperaturen in Portugal bei gut 20 Grad. Noch dazu mit viel Sonnenschein.

Dienstag, 14. April 2015, der Tag vor dem Spiel
Warum sich das Wetter gerade in den Tagen rund um das Bayern-Spiel in Porto ändern sollte, bleibt mir ein Rätsel…

Blick aus dem VIP Executive Art’s Hotel Lissabon: Torre und Ponte Vasco da Gama

Blick aus dem VIP Executive Art’s Hotel Lissabon: Torre und Ponte Vasco da Gama

Die Ankunft in Lissabon war noch von Sonne geprägt, aber schon während meines abendlichen Spazierganges durch die Alfama begann es zu regnen. Kein wirkliches Vergnügen, insbesondere wenn man das glatte – und entsprechend rutschige – Kopfsteinpflaster dort kennt.

Alfama Lissabon

Alfama Lissabon

Mittwoch, 15. April 2015, der Tag des Spiels
Um viel Zeit in Porto verbringen zu können, hatte ich einen Zug morgens kurz nach 7 Uhr gebucht. Ich war ein paar Minuten zu früh auf dem Estação do Oriente, meinem Abfahrtsbahnhof in Lissabon, und schaute mir – mehr aus Langweile – ein bisschen die dortigen Vitrinen an. Die Zeit meiner guten Portugiesisch-Kenntnisse ist schon lange her, aber auch das übrig gebliebene Wissen reichte, um zu erkennen, dass irgendetwas für den kommenden Tag seltsam war.

Aushang Estação do Oriente Lissabon

Aushang Estação do Oriente Lissabon

Fielen die aufgeführten Züge am Donnerstag aus? Und warum? Das war mir nicht klar. Ich hatte noch immer Zeit und ging zum einzig um diese Zeit geöffneten Fahrkartenschalter. Dies war gut so. Denn nur die aufgeführten Züge sollten am Donnerstag fahren, der Rest fiel durch Streik aus. Mein vorab gebuchter Zug war nicht auf der Liste, also fiel er aus. Ich buchte eine neue Fahrt in einer der verbliebenen Verbindungen für den Donnerstag. Mein schon gebuchtes Ticket konnte ich dabei nicht zurückgeben, da es sich um ein „Promotion Ticket“ handle. Immerhin war ich froh, dass ich überhaupt mitbekommen hatte, dass etwas im Busche war. Hätte ich den einsamen Zettel in der Vitrine nicht entdeckt, wäre ich am Donnerstag zur geplanten Zeit zum Bahnhof in Porto gegangen und hätte dort gemerkt, dass mein Zug nicht von Porto nach Lissabon fahren würde. Und mit dem dann noch später fahrenden Zug wäre ich nicht mehr pünktlich für den Rückflug in Lissabon angekommen.

Ein bisschen misstrauisch geworden, wollte ich schauen, ob denn mit meinem Rückflug alles in Ordnung ist. Die Recherche auf der Webseite des Flughafens Lissabon ergab nicht viel Sinnvolles, genaugenommen scheiterte schon die Suche nach Flügen.

Screenshot der Flughafen-Lissabon-Webseite

Screenshot der Flughafen-Lissabon-Webseite

Noch ist aber Mittwoch. Fast pünktlich kommt der Zug an diesem Tag kurz vor 10 Uhr morgens in Porto an. Da der Check-In in meinem Hotel erst nachmittags möglich ist und ich außer meinem kleinen Rucksack kein Gepäck dabei habe, beginne ich mit meiner Erkundungstour durch die Stadt, kurz nach meinem Frühstück in einer der vielen kleinen Bars der Stadt. Schon hier spüre ich wieder die große Freundlichkeit der Leute. Und das obwohl ich gut erkennbar als Fan des FC Bayern unterwegs bin…

Meine Laune wird trotzdem schon bald schlechter. Und das obwohl das Spiel – und sein Ergebnis – noch in weiter Ferne liegen. Denn das Wetter wird schnell schlechter. Aus einzelnen Schauern wird ein gleichbleibender Regen bei recht kühlen Temperaturen. Jetzt bin ich aber hier. Unbeirrt spaziere ich durch die Stadt. Und das heißt, wenn man sich nicht gerade in der Nähe des Rio Douro befindet, geht es stets bergauf oder bergab. Flache Strecken gibt es in der Altstadt Portos praktisch keine.

Funicular dos Guindais

Durchnässt komme ich am späten Nachmittag in meinem Hotel an. Dem wunderbaren Fine Arts Guesthouse. Zur Begrüßung gibt es ein Gläschen Portwein, das Zimmer ist geräumig und ruhig.

Fine Arts Guesthouse Porto

Fine Arts Guesthouse Porto

Am frühen Abend hat der Regen nachgelassen und ich gehe zu Fuß zum Estádio do Dragão, der zur Fußball-Europameisterschaft 2004 neu erbauten Arena des FC Porto.

Estádio do Dragão Porto: Champions League-Viertelfinalhinspiel FC Porto - FC Bayern München

Estádio do Dragão Porto: Champions League-Viertelfinalhinspiel FC Porto – FC Bayern München

Die Choreografie der Fans des FC Porto erinnert unterm anderem an den ersten Gewinn des Europapokals der Landesmeister durch den FC Porto. Und damit an eine schmerzliche Niederlage des FC Bayern München, damals 1987 im Praterstadion in Wien. Vergangenheit.

Estádio do Dragão Porto

Estádio do Dragão Porto

Was folgt, ist das wohl schlechteste Fußballspiel des FC Bayern in der Saison 2014/15. An den zahlreich mitgereisten Fans des FC Bayern – neben mir noch mehrere Tausend – hat es nicht gelegen, wir unterstützen unsere Mannschaft nach besten Kräften.

Estádio do Dragão Porto: Die Fans des FC Bayern München

Das Spiel endet 3:1 für den FC Porto. Jedem der drei Porto-Tore gingen haarsträubende individuelle Fehler von Bayern-Spielern voraus. Noch ist nicht alles vorbei, schon ein 2:0 im Rückspiel würde ja für das Weiterkommen reichen. Nur, die Vorstellung, dass das Rückspiel gewonnen werden könnte, noch dazu mit einem Zu-Null-Ergebnis liegt – nicht nur für mich – zu diesem Zeitpunkt in weiter Ferne.

Bevor ich mich auf den Weg zurück ins Hotel mache, schaue ich noch in der nahen Fan-Kneipe vorbei. Die Porto-Fans schauen mich ziemlich mitleidig an.

Fan-Kneipe des FC Porto

Fan-Kneipe des FC Porto

Donnerstag, 16. April 2015, der Tag nach dem Spiel
Der Regen, der im Laufe der Nacht zurückkam, lässt während des Frühstücks nach. Es bleibt zwar trübe, aber ich raffe mich zu einer weiteren Runde durch Portos Hügellandschaft auf.

Porto 2015

Porto 2015

Die Schlagzeilen der Zeitungen am Wegesrand sind nicht übersehbar – Enorme, Fantasporto, Soberbo.

Zeitungsladen Porto

Zeitungsladen Porto

Porto hat ein ganz besonderes Flair. Insbesondere seine Altstadt, nicht ohne Grund eine UNESCO-Welterbestätte. Das manchmal etwas Marode wird durch das trübe Wetter allerdings nicht strahlender.

Wegen der Rückfahrt nach Lissabon habe ich mir umsonst (zu viele) Gedanken gemacht, mein am Vortag gebuchter „neuer“ Zug fährt pünktlich. Und kommt auch pünktlich in Lissabon an. Ich habe noch Zeit für ein Abendessen im Centro Vasco da Gama. Dort läuft auf einem Monitor eine Nachrichtensendung, die mich zusammenzucken lässt, Streik – das portugiesische Wort greve habe ich inzwischen gelernt – bei der TAP, der Fluggesellschaft, mit der ich am Abend zurück nach München fliegen will. Der Chef der TAP spricht im Interview, streikendes Personal ist im Hintergrund sichtbar. Was ich allerdings nicht mitbekomme, ist, dass die Bilder der Streikenden wohl aus dem Archiv stammen und der Streik erst für Anfang Mai angekündigt ist. Ich denke, fast alles wie zu Hause, Bahn und Piloten streiken…

Centro Vasco da Gama

Centro Vasco da Gama

Pünktlich zum Abflug kommt auch die Sonne wieder hervor.

Flughafen Lissabon

Flughafen Lissabon

Sie wird – glaubt man der Wettervorhersage – auch in den nächsten Tagen wieder ständiger Begleiter Portugals sein. Der Flug ist pünktlich und ruhig. Auch die S-Bahn vom Flughafen nach München fährt pünktlich. Wenn da nicht der mitternächtliche Straßenbahnfahrer in München noch gewesen wäre, der meinte kurz vor Mitternacht vor der Fahrplanzeit losfahren zu müssen (und mich dadurch an der Haltestelle zurückließ), es wäre ein harmonisches Ende der Reise gewesen. So blieb mir zum einen noch Zeit meinem Lieblingsverkehrsverbund eine freundliche Mail zu schreiben (völlig überraschend warte ich immer noch auf eine Antwort…), zum anderen anderen daran zu denken, dass es alles in allem doch ziemlich schön in Portugal war. Und dass vieles – auch in diesem Bericht – ein Klagen auf ziemlich hohem Niveau ist…

Ein paar Tage später
Und… Fußballerisch fand die Geschichte auch noch ein – zumindest vorläufiges – Happy End. Im Rückspiel besiegte der FC Bayern München den FC Porto in der heimischen Allianz Arena mit 6:1. Vorläufig allerdings deswegen, weil auf dem Weg zum „großen“ Happy End noch zwei Halbfinalbegegnungen und ein Endspiel in Berlin liegen.

Und… Auch deutsche Boulevard-Zeiten wissen, was dicke Überschriften sind – Wie im Rausch, Torgasmus, Sechs!

Zeitungskästen München

Zeitungskästen München

Besuch bei Verwandten – die Berggorillas in Ruanda

Mein Interesse an Portugal brachte mich dazu an der Stuttgarter Volkshochschule mit dem Lernen von Portugiesisch anzufangen. Als ich mich nach meiner Studienzeit – zu meiner eigenen Überraschung – plötzlich in Osnabrück wiederfand, wollte ich die Portugiesisch-Kenntnisse nicht wieder sang- und klanglos untergehen lassen. Ich belegte an der dortigen Universität als Gasthörer einen abendlichen Portugiesisch-Kurs. Die Teilnehmer waren fast alles Studenten, nur ein weiterer Nicht-Student war noch dabei, ein Geografie-Professor.

Durch den Professor hatte ich dann das Vergnügen an Exkursionen, die er für seine Studenten anbot, teilzunehmen, darunter eine mehrtägige Exkursion quer durch den Nordwesten Deutschlands. Auch nach meiner Zeit in Osnabrück riss der Kontakt zu ihm nie ab.

So kam es 2006 zu einer gemeinsamen Afrika-Reise durch Malawi und Tansania. Aufgrund einer Gastprofessur, die er an der Universität von Mzuzu inne hatte, organisierte er für Osnabrücker Studenten fast jährlich Exkursionen in Afrika. Die Exkursion 2006 war aber nicht für Studenten sondern für Verwandte und Freunde gedacht.

Kamuzu International Airport in Lilongwe

Kamuzu International Airport in Lilongwe

In einer dreiwöchigen Reise ging es mit eigenen Fahrzeugen von der malawischen Hauptstadt Lilongwe entlang des Malawisees ins südliche Tansania und auf die Insel Sansibar. Für einen Großteil der Reisegruppe bildete Sansibar den Abschluss der Reise. Der Professor machte sich mit seiner Lebensgefährtin auf den Rückweg nach Malawi, die restlichen Teilnehmer traten von Daressalam aus den Rückflug nach Deutschland an.

Nicht aber ich. Von dem Gedanken beseelt, wenn man denn schon mal in der Gegend ist (wobei Gegend in diesem Fall – recht großzügig betrachtet – das zentrale Afrika meint), dann könnte man ja noch bei den Berggorillas in Ruanda vorbei schauen. Von Daressalam nach Ruanda sind es ja nur knapp 1500 Kilometer…

Der Gedanke, die Affen zu besuchen, kam natürlich nicht erst an einem lauen Abend auf Sansibar, sondern schon Monate zu vor. Was auch gut so war. Denn einfach mal so zu den Virunga-Vulkanen im Norden Ruandas zu fahren, um die Gorillas aufzusuchen, das geht nicht. Der Otto-Normal-Bürger mit nicht zu engen Budgetbegrenzungen macht das folgendermaßen: Er geht in ein auf Afrika-Reisen spezialisiertes Reisebüro und lässt sich das organisieren. Der Nachteil dabei ist, es ist sehr teuer.

Wirklich billig wird es, wenn man es selbst organisiert, allerdings auch nicht. Aber man kann trotzdem viele Hundert Euros sparen.

Wichtigste Grundlage für den Gorillabesuch in Ruanda ist ein Permit. Die Zahl der Besucher ist streng limitiert (was allem Anschein nach auch strikt eingehalten wird). Berggorillas leben in freier Wildbahn in mehr oder weniger großen Gruppen, angeführt von einem Silberrücken. Und ein paar wenige dieser frei lebenden Gorillagruppen (die Gesamtzahl aller frei lebender Berggorillas wird auf gerade mal 700 geschätzt) sind an den Besuch von Menschen gewöhnt. Maximal acht Personen dürfen für maximal eine Stunde pro Tag eine solche Gruppe besuchen. Zusammen mit einem Führer und mehreren bewaffneten Soldaten (eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund der politisch nicht  ganz spannungsfreien Lage im Grenzgebiet zwischen Ruanda, Uganda und dem Kongo).

Im Vorfeld der Afrikareise nehme ich deshalb Kontakt zum Rwanda Tourism Board auf und bezahle 375 US-Dollar (!) pro Person für das genannte Permit. In diesem Preis sind allerdings keine Anfahrts- und keine Übernachtungskosten enthalten, nur die Berechtigung an einem ganz bestimmten Tag an einer Gorilla-Besuchstour teilnehmen zu dürfen.

Zurück nach Afrika, nach Daressalam in Tansania. Von dort fliegen meine damalige Freundin und ich mit Kenya Airways und einem Zwischenstopp in Nairobi nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Dieser Flug bot einen unglaublich schönen, wolkenlosen Blick auf Afrikas höchsten Berg, den Kilimandscharo.

Ruanda stand für mich auf einer Liste mit Ländern wie Kuwait oder Kambodscha, man hat zumindest ein leicht mulmiges Gefühl und weiß nicht so recht, was einen erwartet. Der letzte Genozid, bei dem 1994 innerhalb weniger Wochen fast eine Million Menschen umgebracht wurden, ist gerade einmal ein gutes Jahrzehnt her.

In Kigali suchen wir das Büro des Rwanda Tourism Boards auf und bekommen nun auch eine schriftliche Form des erwähnten Permits, zusammen mit genauen Anweisungen, wann wir uns wo einzufinden hätten.

Gorillabesuchsgenehmigung ("das Permit")

Gorillabesuchsgenehmigung ("das Permit")

Von Kigali aus geht es im Minibus nach Ruhengeri. Minibusfahrten gehören zu den Dingen, die sich der weiter oben erwähnte Otto-Normal-Bürger bei einer organisierten Reise erspart. Ihm entgeht dadurch ein – meiner Meinung nach – eher zweifelhaftes Vergnügen. Losgefahren wird, wenn der Minibus voll ist. Und beim Wort voll gibt es keinen Interpretationsspielraum! Ich bezahle für zwei Plätze, einen für mich, einen für meinen Rucksack. Der Sitzreihenabstand lässt den Rückschluss zu, dass die Einheimischen ein zusätzliches Gelenk im Bereich des Oberschenkels haben müssen. Da die Wiege der Menschheit quasi ums Eck liegt und die Evolution dadurch hier mehr Zeit als in anderen Weltgegenden hatte, bin ich sogar davon überzeugt…

Die für afrikanische Verhältnisse sehr guten Straßen in Ruanda spornen die Minibusfahrer zu sportlichen Höchstleistungen an (unterstützt durch die profillosen Reifen…). Unser Fahrer hat allerdings Pech, er gerät in eine Radarkontrolle. Und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war die Strafe weit höher als sein Tagesverdienst. Davon nicht wirklich beeindruckt (oder vielleicht davon ausgehend, dass es nur eine Radarpistole in Ruanda gibt), versucht er die verlorene Zeit auf der restlichen Strecke wieder reinzuholen.

Ruhengeri liegt im Nordwesten Ruandas zu Füßen der Virunga-Vulkane. Um zum Hauptquartier des Vulkan-Nationalparks, dem Ausgangsort der Gorilla-Touren zu kommen, braucht man allerdings ein Allradfahrzeug. Es zu organisieren klappt noch einfach, den Fahrer zu bezahlen, ist allerdings eine Herausforderung. Nicht, dass es unendlich teuer wäre oder dass wir kein Geld dabei hätten, nein, das Problem sind die Jahreszahlen auf unseren 20-Dollar-Geldscheinen (ruandische Franc werden gar nicht akzeptiert). Ein Druckdatum vor dem Jahr 2000 macht den Geldschein in den Augen unseres Fahrers als wertlos. Nur mit viel Aufwand bekommen wir genügend „gültiges“ Geld zusammen.

Hotel Muhabura in Ruhengeri

Hotel Muhabura in Ruhengeri

Nach einer sehr unruhigen Nacht sind wir am frühen Morgen am Hauptquartier des Vulkan-Nationalparks. Dort findet eine Einweisung in die Verhaltensweise beim Gorillabesuch und die Einteilung der Touristen auf die verschiedenen Gorilla-Gruppen statt. Nachdem ich kurz die Beschreibung der einzelnen Gruppen (und insbesondere deren aktuelle Lage in den Bergen) überflogen hatte, entschied ich mich zielstrebig für Gruppe 13.

Die Führer kennen zwar den ungefähren Aufenthaltsort der jeweilige Gruppen, aber da die Tiere immer wieder weiter ziehen, nicht ihren aktuellen Ort (allerdings gibt es auch Ranger, die rund um die Uhr in der Nähe der Tiere bleiben, und diese insbesondere vor Wilderern schützen sollen). Wir haben Glück! Schon nach einer guten Stunde schweißtreibenden Marschierens durch den Dschungel sind wir in der Nähe „unserer“ Berggorillas. Bis auf die Kameras wird das gesamte Gepäck abgelegt und man nähert sich auf Zehenspitzen den Tieren (die morgendlichen Erläuterungen über Scheinangriffe von sich bedroht fühlenden Silberrücken habe ich noch in den Ohren…).

Für mich war es einer der beeindruckendsten Augenblicke in meinem Leben, plötzlich einer vielköpfigen Gorillagruppe mitten in ihrer Heimatwelt gegenüber zu stehen. Während wir den Mindestabstand zu den Tieren einhalten zu versuchen (insbesondere um mögliche Krankheitsübertragungen zu vermeiden), nehmen die Gorillakinder darauf nicht immer Rücksicht. Unbeeindruckt tollen sie um uns herum. Der Silberrücken und die anderen älteren Tiere beobachten die Situation in aller Ruhe. Immer mehr Tiere entdecken wir im teilweise dichten Dschungelgeflecht. Auf die Minute genau nach einer Stunde ist das Schauspiel vorbei. Den restlichen Tag haben die Gorillas menschenfrei. Die Emotionalität dieser Stunde ist schwer zu beschreiben. Nie fühlte ich mich unseren tierischen Verwandten näher.

Besuchszertifikat

Besuchszertifikat

Einmal in Ruanda wollten wir aber auch vom restlichen Land noch mehr sehen. Es ist ein Land der extremen Gegensätze. „Land der tausend Hügel“ wird es völlig berechtigt genannt. Und – bis auf die wenigen Ausnahmen in Form von Nationalparks – wird jeder dieser Hügel landwirtschaftlich genutzt. Was bei einer Bevölkerungsdichte von über 300 Personen pro Quadratkilometer auch gar nicht anders geht.

Allgegenwärtig ist aber auch die jüngere ruandische Geschichte mit dem Genozid von 1994. Schon in Kigali – zu Beginn des Besuches in Ruanda – haben wir Gedenkstätten und Massengräber (mit Zehntausenden von Toten) gesehen. Bei einem Besuch der Genoizid-Gedenkstätte in Murambi, einer ehemaligen Schule, erzählt uns ein Überlebender seine Geschichte. Schon das Zuhören ist fast physisch schmerzhaft.

Plakate am Straßenrand weisen auf die Gacaca-Gerichte hin, einer traditionellen Gerichtsform, die die Verbrechen des Völkermordes auf örtlicher Ebene aufarbeiten. Einmal die Woche ruht das normale Leben und das Dorf sitzt zu Gericht. Selbst die Läden haben dann geschlossen.

Von Kibuye aus geht es mit privatem Fahrzeug und eigenem Fahrer (ich hatte mich geweigert, weitere Minibusfahrten zu machen…) entlang des Kivusees in den Südwesten des Landes, nur noch eine Brücke vom immer wieder kriegsumtobten Ostkongo entfernt. Einer der letzten, noch nicht landwirtschaftlich genutzen Flecken Ruandas ist der Nyungwe-Wald, ein immergrüner Bergregenwald. Unweit davon überqueren wir die Wasserscheide zwischen Afrikas bedeutendsten Flüssen, dem Nil, der seinen Weg in nördlicher Richtung sucht und im Mittelmeer endet, und dem Kongo der westwärts in den Atlantik strebt. Beide Flüsse besitzen Quellen hier in Ruanda.

Nach einem letzten Tag in der Hauptstadt Kigali (mit einem Besuch des Hôtel des Mille Collines, bekannt aus dem Film „Hotel Ruanda“) geht es heimwärts. Die Abfertigung auf dem Flughafen Kigalis geschieht komplett per Hand, einschließlich handgeschriebener Bordkarten und Gepäckanhänger.

Bordkarte Flug Kigali - Addis Abeba (Ethiopian Airlines)

Bordkarte Flug Kigali - Addis Abeba (Ethiopian Airlines)

Aber es funktioniert. Alles – auch wir – kommen wohlbehalten in Frankfurt am Main an.

Eine alte Liebe

Der im Artikel Interrail – Die Zweite erwähnte Ferienjob als Software-Entwickler war der Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit. Mein Chef – er hatte die ebenfalls dort erwähnte Kleinanzeige ursprünglich aufgegeben – blieb in dieser Zeit immer derselbe. Die ersten Jahre in einer holzverarbeitenden Firma, später, er hatte sich zwischenzeitlich selbständig gemacht, in einem kleinen Unternehmen, das Verpackungen aus Wellpappe herstellte.

Während eines solchen Programmierer-Jobs in den Semesterferien des Frühjahrs 1988 (der Commodore 64 hatte inzwischen ausgedient und ich – bzw. mein Auftraggeber – war  auf den Commodore Amiga umgestiegen!) fragte mich mein Chef, ob ich für das bevorstehende Osterwochenende schon Pläne hätte. Ich hatte keine. Er meinte dann, er würde gerne zum Angeln nach Portugal fahren, an die Algarve, seine Frau hätte aber keine Lust für die lange Fahrt. Angeln ist nicht so mein Ding, aber unter der Bedingung stattdessen Ausflüge nach Lissabon und durch die Algarve machen zu können, stimmte ich zu.

Portugal 1988

Portugal 1988

Donnerstag am späten Nachmittags ging es los. 29 Stunden später – wir sind abwechselnd die rund 2500 km lange Strecke quer durch Frankreich und Spanien gefahren – kommen wir am Karfreitagabend in Lagoa, einem kleinen Ort an der Algarve, an.

Angeln an der Algarve

Angeln an der Algarve

Mein Chef angelte, ich schaute mir die Algarve an. Am Ostermontag ging es nach Lissabon! Beginnend mit dem Ausblick vom Cristo Rei in Almada und der Überquerung des Tejo über die Ponte 25 de Abril und endend in den Gassen der Altstadt. Obwohl Lissabon keine herausragende Sehenswürdigkeit hat, keinen Eiffelturm, kein Petersdom und keine Hagia Sophia, faszinierte mich die Stadt. Ok, mit dem Hieronymus-Kloster hat sie sogar eine absolute Top-Sehenswürdigkeit, aber nach Belém, in den Stadtteil, in dem das Kloster steht, kam ich bei meinem ersten Besuch gar nicht. Egal, mir gefiel die Stadt, mehr noch, es war der Beginn einer langen Liebe.

Zwei Tage später ging es zurück nach Hause, wieder in einem Rutsch die 2500 Kilometer. Über Sinn und Unsinn eines Angeltripps an die Algarve könnte man sicher streiten. Für mich war es die Gelegenheit ein neues Land, Portugal, kennen zu lernen. Und die Gelegenheit hatte ich genutzt.

Kurz nach dieser ersten Portugalreise meldete ich mich an der Volkshochschule für einen Portugiesisch-Kurs an. Welche Folgen diese Entscheidung – teilweise noch viele Jahre später – in meinem Leben haben sollte, konnte ich da nicht wissen. Aber das weiß man ja nie.

Bis zu meinem nächsten Besuch in Lissabon sollte es nur zwei Jahre dauern. Nicht in einem 5er BMW wie beim ersten Mal, sondern mit einem geliehenen, damals schon 17 Jahre alten Opel Kadett (der auch nach dieser Reise noch viele Jahre weiter existierte) ging es in den Süden. Es war der Start der schon im Terceira-Artikel erwähnten Azoren-Reise im Herbst 1990.

Camping am Straßenrand

Camping am Straßenrand

Jegliche Mautstrecken – wenn es irgendwie ging – meidend und nur jeweils wenige Stunden im notdürftig aufgebauten Zelt schlafend schafften mein Mitreisender und ich die 2200 Kilometer in ziemlich genau 48 Stunden. Spät abends kamen wir auf der Südseite des Tejos, kurz vor Lissabon, an. Im Dunkeln bauten wir das Zelt abseits der Straße auf.

Zeltaufbau im Licht der Autoscheinwerfer

Zeltaufbau im Licht der Autoscheinwerfer

Erst am nächsten Morgen merkten wir, dass wir uns mitten in einem Sumpfgebiet befanden.

Zelten zwischen Sümpfen

Zelten zwischen Sümpfen

Einen Tag zur Besichtigung Lissabons hatten wir noch, bevor es mit dem Flugzeug auf die Azoren weiter gehen sollte. Neben Baixa und Alfama war dieses Mal auch Belém ein Teil dieser Besichtigung. Besonders blieb mir das Abendessen in einem kleinen Restaurant in der Alfama in Erinnerung. Außer uns waren nur Einheimische anwesend und wir unterhielten uns mit Händen und Füßen (meine Portugiesisch-Kenntnisse waren – wie sich schnell raus stellte – noch nicht so praxistauglich) über Gott und die Welt.

Mir gefiel das kleine Restaurant so gut, dass ich es bei meinem nächsten Besuch in Lissabon, wiederum zwei Jahre später, in den Gassen der Alfama suchte und auch wiederfand. Auf dieser Reise im Sommer 1992 – direkt nach der Abgabe meiner Diplomarbeit – hatte ich mehr Zeit, insgesamt drei Wochen. Natürlich nicht nur für Lissabon. Neben einem Abstecher zur Weltausstellung ins spanische Sevilla bereiste ich viele Teile Portugals, von den Stränden der Algarve bis zum Nationalpark Peneda-Gerês an der Grenze zu Galizien ganz im Norden. Ich nutzte nur öffentliche Verkehrsmittel (oder trampte mal), hatte einen großen und einen kleinen Rucksack dabei und übernachtete auf Campingplätzen (besonders „toll“ war derjenige von Sevilla, er liegt direkt in der Einflugschneise des dortigen Flughafens).  In Lissabon hatte ich die Zeit, durch Stadtteile zu streifen, die man sich bei Kurzbesuchen nicht anschaut.

Campingplatz Lissabon

Campingplatz Lissabon

Was mir auf der 92’er Reise durch Portugal fehlte, war Flexibilität. Kleinere Orte und das Hinterland sind mit Bussen und Bahnen teilweise schwer, oft gar nicht zu erreichen. Das wollte ich bei meiner nächsten Reise ändern. Wiederum eine Weltausstellung spielte dabei eine Rolle. Die EXPO 1998 in Lissabon war der konkrete Anlass nach Portugal zu fliegen. An zwei Tagen besuchte ich die am Ufer des Tejo gelegene Ausstellung. Auch für einen Stadtrundgang blieb genügend Zeit. Für das Landesinnere hatte ich dieses Mal einen Mietwagen, mit dem ich durch den Alentejo, die nördlich davon gelegene Beira (die mir besonders gut gefallen hat) und die Estremadura kurvte.

Durch den Altentejo

Durch den Altentejo

Auch auf dieser Tour hatte ich mein Zelt dabei und übernachtete auf Campingplätzen. Noch heute könnte ich mich über die beiden Holländer aufregen, die es auf dem Campingplatz – ich glaube es war in Guarda – doch geschafft haben, ihr Zeit – während ich noch unterwegs war – direkt vor meinem aufzubauen. Und das, wo wir auf dem Campingplatz fast allein waren, und es reichlich Platz gab. Mein Anschnauzen hatte immerhin zur Folge, dass sie morgens, als ich aufstand, schon weg waren.

2002, kein Zelt und kein Campingplatz, allerdings auch nur ein Wochenende in Lissabon. In den Jahren davor hatte ich aufgrund meiner Wochenendbeziehung reichlich Lufthansa-Meilen angesammelt. Und bevor diese verfallen, hatte ich für mich und meine Freundin davon Flüge nach Lissabon gebucht. Übernachtet haben wir im ibis-Hotel José Malhoa, nicht sehr zentral gelegen, aber mit einer Metro-Station in der Nähe.

hotel ibis José Malhoa

hotel ibis José Malhoa

Besonders schön war das abendliche Lissabon mit Blick vom Castelo de São Jorge – vor einem die Baixa, dahinter in leichtem Nebel der Tejo, das Monumento Cristo Rei und die Ponte 25 de Abril.

Sieben Jahre sollte es dauern, bis ich das nächste Mal nach Lissabon kommen sollte. Im Gegensatz zu mir sind meine Eltern nie viel gereist, insbesondere der Respekt vor Ländern, in denen nicht Deutsch gesprochen wurde, schien recht groß zu sein. Daher beschloss ich vor ein paar Jahren, ihnen für jeweils ein verlängertes Wochenende einen Teil meiner Welt zu zeigen, die Welt des Reisens. An einem solchen Wochenende sind wir im Juli 2009 nach Lissabon geflogen. Übernachtet haben wir in Oeiras, einem kleinen Ort an der Costa de Lisboa. Das Wetter war hervorragend, vom Stadtbummel durch Lissabon – einschließlich einer kurvigen Fahrt mit der Elétrico durch die Altstadt – über Baden im Atlantik bis zur Serra de Sintra gab es viel an Programm. Ich denke, ich konnte ihnen ein wenig meine Begeisterung für Lissabon vermitteln.

Und ich? Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch in Lissabon.

P.S.: Mein Chef, mit dem ich 1988 erstmals nach Lissabon kam, ist inzwischen gestorben. Seine Zuneigung zu Lissabon habe ich aber schon vor langer Zeit übernommen.