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Kuwait – Keine Touris weit und breit

Das wohl ungewöhnlichste Land meines bisherigen Reiselebens ist Kuwait. Ohne einen gewissen Zufall wäre ich wahrscheinlich auch nie dort hin gekommen.

Nach dem Entschluss im Winter 2001/2002 eine längere Reise nach Südostasien zu machen, ging es (neben vielen anderen) um die Frage, wie kommt man dort hin und wieder zurück. Und das möglichst kostengünstig. Erstaunlicherweise steigen die Flugpreise rapide, wenn man Flüge sucht, die nicht nicht nur die üblichen drei oder vier Wochen Urlaubszeit abdecken. Das günstigste Angebot war letztendlich von Kuwait Airways – von Frankfurt über Kuwait nach Bangkok und zurück.

Neben dem reinen Flug bot Kuwait Airways auch die Möglichkeit eines Stop Overs in Kuwait an, zusammen mit einer relativ günstigen Übernachtungsmöglichkeit. Gesagt, getan. Wir buchen den Flug bei Kuwait Airways einschließlich eines dreitägigen Aufenthaltes in Kuwait. Anfang November 2001 geht es in Frankfurt los. Kurz vor Mitternacht kommen wir in Kuwait an. Quasi mit persönlicher Betreuung werden wir durch die Zoll- und Einreisekontrolle geleitet.

Visum für Kuwait

Visum für Kuwait

Ist nicht besonders schwierig, wir scheinen die einzigen westlichen Reisenden zu sein, die in Kuwait aussteigen. Ein Fahrer wartet schon, um uns in unser Hotel, das Oasis, zu bringen.

Das Oasis ist für kuwaitische Verhältnisse eher einfach, für die Unterkünfte, die wir in Südostasien in den Monaten danach haben werden, aber luxuriös. Auch im Hotel scheinen wir die einzigen Nicht-Araber zu sein.

Hotel Oasis

Hotel Oasis

Auf dem Dach des neben dem Oasis gelegenen Gebäudes befand sich eine Siemens Mobile-Werbetafel. Dass ich nach der Rückkehr von der Asien-Reise für Siemens Mobile arbeiten würde, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Am nächsten Morgen wollen wir Kuwait-City erkundigen. Als wir das Hotel verlassen, merken wir erst, wie heiß es draußen ist, im Hotel war natürlich alles klimatisiert. November ist zwar auch in Kuwait ein Wintermonat, aber was bedeutet schon Winter, wenn es draußen auf 40 Grad zusteuert. Über die Frage, was dann Sommer bedeutet, sehe ich in diesem Augenblick hinweg. Interessanter ist die Frage, wie kommen wir an Bargeld.

Wir gehen zur nächsten Bank. Die Geldautomaten verweigern sich unseren Kredit- und EC-Karten völlig. Und am Schalter bekundet man uns, dass sie Bargeld, auch wenn es sich um deutsche Mark oder amerikanische Dollar handelt, nicht wechseln können. Uns wird empfohlen in die Altstadt zum Exchange Square zu gehen. Die Altstadt ist wohl organisiert, es gibt Straßen für dies und Straßen für das. Und es gibt den Exchange Square für Geldgeschäfte. Da, wo in anderen Geschäften Schuhe oder Werkzeuge in den Auslagen liegen, da liegen am Exchange Square Geldstapel hinter den Schaufenstern!

Noch haben wir aber keine kuwaitischen Dinar. Als wir 50 D-Mark in einem der „Geldgeschäfte“ umtauschen wollen, werden wir belächelt. Hier werden normalerweise ganz andere Summen getauscht. Mit Kleinbeträgen – und dazu gehören 50 Mark – gibt man sich nicht ab. Irgendwann erbarmt sich einer und tauscht uns unsere „Kleinsumme“. Wir sind glückliche Besitzer von gut 20 Dinar! Und – aber das nur am Rande – stellen fest, dass der kuwaitische Dinar eine sogenannte Tausenderwährung ist, d.h. ein Dinar teilt sich in 1000 Fils.

1 kuwaitischer Dinar

1 kuwaitischer Dinar

Nach so viel Stress und noch mehr Hitze ziehen wir uns erst mal in die Kühle des Hotels zurück. Erst am späten Nachmittag wagen wir einen erneuten Aufbruch.

Insgesamt haben wir drei Tage für Besichtigungen Zeit. Und allzu viel gibt es nicht zu sehen. Reisen ins Umland – wenn sie überhaupt möglich wären – müsste man mit Hilfe eines Taxifahrers selbst organisieren, eine wie auch immer geartete Tourismus-Infrastruktur ist nicht vorhanden. Sieht man überhaupt einmal einen Westler auf den Straßen, so scheint es sich um einen Angehörigen eines in Kuwait Arbeitenden zu handeln. Kurz nach 13 Uhr kommen wir zum Nationalmuseum. Zu spät für diesen Tag, es hat um 13 Uhr geschlossen. Ein Mann in traditionellem weißen Gewand und aus dem Museum kommend, der uns – leicht frustriert vor besagtem Museum sitzend – sieht, fragt uns, ob er uns ein Stück in seinem Auto mitnehmen könne. Gerne nehmen wir das Angebot an und lassen uns zu den Kuwait Towers, der Hauptsehenswürdigkeit Kuwaits, fahren. Unsere Fahrer freut sich, westlichen Touristen bei der Besichtigung „seiner“ Stadt weiterhelfen zu können. Von der Aussichtsplattform der Kuwait Towers hat man einen schönen Blick auf die Stadt und den Persischen Golf.

Am nächsten Morgen sind wir zurück im Nationalmuseum und treffen unseren „Fahrer“ vom Vortag wieder. Er ist Chef der einzigen intakten Museumsabteilung und freut sich uns wiederzusehen. Ein Großteil des Museums wurde von irakischen Truppen während des Zweiten Golfkrieges 1990/91 bei der Besetzung Kuwaits zerstört und bis November 2001 nicht wieder aufgebaut. Wir sind die einzigen Besucher im Museum, wahrscheinlich nicht nur in dieser Stunde, wahrscheinlich auch an diesem Tag und in dieser Woche…

Zur Mittagszeit sind wir zurück im Hotel, wir müssen auschecken. Denken wir zumindest. Da der Flug erst spät abends geht, dürfen wir unser Zimmer noch den restlichen Tag behalten. Kurz vor Mitternacht endet mein erster und bisher einziger Besuch in Kuwait, der Flieger startet nach Bangkok.

Ein Land ohne Touristen kannte ich bisher nicht. Zugegebenermaßen bot Kuwait – um die Jahrtausendwende herum – touristisch nicht wirklich viel. Für einen Zwischenstopp fand ich es aber lohnenswert. Es war eine völlig andere Welt und bot einen – wenn auch sehr oberflächlichen – Einblick in die arabische Kultur. Die Menschen – allen voran unser Museumsmitarbeiter und die Hotelangestellten – waren immer hilfsbereit. Zumindest, so weit es ging. Mit den Bedürfnissen von Touristen beispielsweise waren sie in unserem Hotel völlig überfordert.

Erst viele Jahre später kam ich bei einer Reise nach Syrien, Libanon und Jordanien wieder in diese Gegend der Welt. Dort war man als Reisender auch nicht mehr allein.

Eine alte Liebe

Der im Artikel Interrail – Die Zweite erwähnte Ferienjob als Software-Entwickler war der Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit. Mein Chef – er hatte die ebenfalls dort erwähnte Kleinanzeige ursprünglich aufgegeben – blieb in dieser Zeit immer derselbe. Die ersten Jahre in einer holzverarbeitenden Firma, später, er hatte sich zwischenzeitlich selbständig gemacht, in einem kleinen Unternehmen, das Verpackungen aus Wellpappe herstellte.

Während eines solchen Programmierer-Jobs in den Semesterferien des Frühjahrs 1988 (der Commodore 64 hatte inzwischen ausgedient und ich – bzw. mein Auftraggeber – war  auf den Commodore Amiga umgestiegen!) fragte mich mein Chef, ob ich für das bevorstehende Osterwochenende schon Pläne hätte. Ich hatte keine. Er meinte dann, er würde gerne zum Angeln nach Portugal fahren, an die Algarve, seine Frau hätte aber keine Lust für die lange Fahrt. Angeln ist nicht so mein Ding, aber unter der Bedingung stattdessen Ausflüge nach Lissabon und durch die Algarve machen zu können, stimmte ich zu.

Portugal 1988

Portugal 1988

Donnerstag am späten Nachmittags ging es los. 29 Stunden später – wir sind abwechselnd die rund 2500 km lange Strecke quer durch Frankreich und Spanien gefahren – kommen wir am Karfreitagabend in Lagoa, einem kleinen Ort an der Algarve, an.

Angeln an der Algarve

Angeln an der Algarve

Mein Chef angelte, ich schaute mir die Algarve an. Am Ostermontag ging es nach Lissabon! Beginnend mit dem Ausblick vom Cristo Rei in Almada und der Überquerung des Tejo über die Ponte 25 de Abril und endend in den Gassen der Altstadt. Obwohl Lissabon keine herausragende Sehenswürdigkeit hat, keinen Eiffelturm, kein Petersdom und keine Hagia Sophia, faszinierte mich die Stadt. Ok, mit dem Hieronymus-Kloster hat sie sogar eine absolute Top-Sehenswürdigkeit, aber nach Belém, in den Stadtteil, in dem das Kloster steht, kam ich bei meinem ersten Besuch gar nicht. Egal, mir gefiel die Stadt, mehr noch, es war der Beginn einer langen Liebe.

Zwei Tage später ging es zurück nach Hause, wieder in einem Rutsch die 2500 Kilometer. Über Sinn und Unsinn eines Angeltripps an die Algarve könnte man sicher streiten. Für mich war es die Gelegenheit ein neues Land, Portugal, kennen zu lernen. Und die Gelegenheit hatte ich genutzt.

Kurz nach dieser ersten Portugalreise meldete ich mich an der Volkshochschule für einen Portugiesisch-Kurs an. Welche Folgen diese Entscheidung – teilweise noch viele Jahre später – in meinem Leben haben sollte, konnte ich da nicht wissen. Aber das weiß man ja nie.

Bis zu meinem nächsten Besuch in Lissabon sollte es nur zwei Jahre dauern. Nicht in einem 5er BMW wie beim ersten Mal, sondern mit einem geliehenen, damals schon 17 Jahre alten Opel Kadett (der auch nach dieser Reise noch viele Jahre weiter existierte) ging es in den Süden. Es war der Start der schon im Terceira-Artikel erwähnten Azoren-Reise im Herbst 1990.

Camping am Straßenrand

Camping am Straßenrand

Jegliche Mautstrecken – wenn es irgendwie ging – meidend und nur jeweils wenige Stunden im notdürftig aufgebauten Zelt schlafend schafften mein Mitreisender und ich die 2200 Kilometer in ziemlich genau 48 Stunden. Spät abends kamen wir auf der Südseite des Tejos, kurz vor Lissabon, an. Im Dunkeln bauten wir das Zelt abseits der Straße auf.

Zeltaufbau im Licht der Autoscheinwerfer

Zeltaufbau im Licht der Autoscheinwerfer

Erst am nächsten Morgen merkten wir, dass wir uns mitten in einem Sumpfgebiet befanden.

Zelten zwischen Sümpfen

Zelten zwischen Sümpfen

Einen Tag zur Besichtigung Lissabons hatten wir noch, bevor es mit dem Flugzeug auf die Azoren weiter gehen sollte. Neben Baixa und Alfama war dieses Mal auch Belém ein Teil dieser Besichtigung. Besonders blieb mir das Abendessen in einem kleinen Restaurant in der Alfama in Erinnerung. Außer uns waren nur Einheimische anwesend und wir unterhielten uns mit Händen und Füßen (meine Portugiesisch-Kenntnisse waren – wie sich schnell raus stellte – noch nicht so praxistauglich) über Gott und die Welt.

Mir gefiel das kleine Restaurant so gut, dass ich es bei meinem nächsten Besuch in Lissabon, wiederum zwei Jahre später, in den Gassen der Alfama suchte und auch wiederfand. Auf dieser Reise im Sommer 1992 – direkt nach der Abgabe meiner Diplomarbeit – hatte ich mehr Zeit, insgesamt drei Wochen. Natürlich nicht nur für Lissabon. Neben einem Abstecher zur Weltausstellung ins spanische Sevilla bereiste ich viele Teile Portugals, von den Stränden der Algarve bis zum Nationalpark Peneda-Gerês an der Grenze zu Galizien ganz im Norden. Ich nutzte nur öffentliche Verkehrsmittel (oder trampte mal), hatte einen großen und einen kleinen Rucksack dabei und übernachtete auf Campingplätzen (besonders „toll“ war derjenige von Sevilla, er liegt direkt in der Einflugschneise des dortigen Flughafens).  In Lissabon hatte ich die Zeit, durch Stadtteile zu streifen, die man sich bei Kurzbesuchen nicht anschaut.

Campingplatz Lissabon

Campingplatz Lissabon

Was mir auf der 92’er Reise durch Portugal fehlte, war Flexibilität. Kleinere Orte und das Hinterland sind mit Bussen und Bahnen teilweise schwer, oft gar nicht zu erreichen. Das wollte ich bei meiner nächsten Reise ändern. Wiederum eine Weltausstellung spielte dabei eine Rolle. Die EXPO 1998 in Lissabon war der konkrete Anlass nach Portugal zu fliegen. An zwei Tagen besuchte ich die am Ufer des Tejo gelegene Ausstellung. Auch für einen Stadtrundgang blieb genügend Zeit. Für das Landesinnere hatte ich dieses Mal einen Mietwagen, mit dem ich durch den Alentejo, die nördlich davon gelegene Beira (die mir besonders gut gefallen hat) und die Estremadura kurvte.

Durch den Altentejo

Durch den Altentejo

Auch auf dieser Tour hatte ich mein Zelt dabei und übernachtete auf Campingplätzen. Noch heute könnte ich mich über die beiden Holländer aufregen, die es auf dem Campingplatz – ich glaube es war in Guarda – doch geschafft haben, ihr Zeit – während ich noch unterwegs war – direkt vor meinem aufzubauen. Und das, wo wir auf dem Campingplatz fast allein waren, und es reichlich Platz gab. Mein Anschnauzen hatte immerhin zur Folge, dass sie morgens, als ich aufstand, schon weg waren.

2002, kein Zelt und kein Campingplatz, allerdings auch nur ein Wochenende in Lissabon. In den Jahren davor hatte ich aufgrund meiner Wochenendbeziehung reichlich Lufthansa-Meilen angesammelt. Und bevor diese verfallen, hatte ich für mich und meine Freundin davon Flüge nach Lissabon gebucht. Übernachtet haben wir im ibis-Hotel José Malhoa, nicht sehr zentral gelegen, aber mit einer Metro-Station in der Nähe.

hotel ibis José Malhoa

hotel ibis José Malhoa

Besonders schön war das abendliche Lissabon mit Blick vom Castelo de São Jorge – vor einem die Baixa, dahinter in leichtem Nebel der Tejo, das Monumento Cristo Rei und die Ponte 25 de Abril.

Sieben Jahre sollte es dauern, bis ich das nächste Mal nach Lissabon kommen sollte. Im Gegensatz zu mir sind meine Eltern nie viel gereist, insbesondere der Respekt vor Ländern, in denen nicht Deutsch gesprochen wurde, schien recht groß zu sein. Daher beschloss ich vor ein paar Jahren, ihnen für jeweils ein verlängertes Wochenende einen Teil meiner Welt zu zeigen, die Welt des Reisens. An einem solchen Wochenende sind wir im Juli 2009 nach Lissabon geflogen. Übernachtet haben wir in Oeiras, einem kleinen Ort an der Costa de Lisboa. Das Wetter war hervorragend, vom Stadtbummel durch Lissabon – einschließlich einer kurvigen Fahrt mit der Elétrico durch die Altstadt – über Baden im Atlantik bis zur Serra de Sintra gab es viel an Programm. Ich denke, ich konnte ihnen ein wenig meine Begeisterung für Lissabon vermitteln.

Und ich? Ich freue mich auf meinen nächsten Besuch in Lissabon.

P.S.: Mein Chef, mit dem ich 1988 erstmals nach Lissabon kam, ist inzwischen gestorben. Seine Zuneigung zu Lissabon habe ich aber schon vor langer Zeit übernommen.

Exotik vor der Haustür – eine Balkan-Reise

Ich schwöre, es war keine Absicht. Aber der 50-Euro-Schein befand sich im Pass. Und der Pass befand sich zu diesem Zeitpunkt in den Händen eines mazedonischen Zollbeamtens. Und das an einer Grenzstation, die mit Aufklebern vollgeklebt war, die vor Bestechung warnten. Der Zollbeamte gab mir den Pass zurück, mit der bitte, doch nochmals hineinzuschauen. Es hat gedauert, bis ich geblickt habe, warum…

Dabei war schon der Weg zur mazedonischen Grenze nicht wirklich einfach. Die Griechen ignorieren nämlich ihren neuen nördlichen Nachbar. Griechenland befürchtet Gebietsansprüche Mazedoniens auf seine Region Makedonien. Und so findet man höchstens mal ein Verkehrsschild mit einem Hinweis auf FYROM (Former Yugoslavian Republic of Macedonia). Europa im Frühjahr 2008.

Diese Reise begann natürlich nicht mit der Suche nach der griechisch-mazedonischen Grenze, sie begann mit einer Fahrt durch die Schweizer Alpen und Norditalien. Der erste Reisetag endete in der kleinen Republik San Marino auf einem Campingplatz. Schön gelegen und mit einer hervorragenden Pizzeria ausgestattet.

Campingplatz San Marino

Campingplatz San Marino

Bevor die Fahrt am nächsten Tag weiterging, stand noch ein Gang durch die Altstadt sowie entlang der alten Festungsmauer in San Marino auf dem Programm. Das Wetter lies zwar etwas zu wünschen übrig (es war trübe und zeitweise regnete es), lohnenswert war die Besichtigung aber trotzdem, nicht ohne Grund gehört die Stadt San Marino und der Monte Titano, auf der sie liegt, zum Weltkulturerbe.

Auf der Fahrt zur italienischen Hafenstadt Ancona regnete es weiter vor sich hin. Ich hatte die Fähre nach Griechenland schon vorab gebucht, so dass es beim „Einschiffen“ keine Probleme gab. Überraschend war allerdings, dass wir – so schien es zumindest – fast die einzigen Urlauber auf der Fähre waren. Die Fähre war voll mit gebrauchten Fahrzeugen aus Deutschland. Und als Marke gab es fast nur Mercedes. Wir sollten die Autos alle in Albanien wiedersehen. Bei einbrechender Dunkelheit legt die Fähre ab und quert bei ruhiger See die Adria. Morgens sind wir in Igoumenitsa, ganz im Nordwesten Griechenlands gelegen.

Fähre Ancona - Igoumenitsa

Fähre Ancona - Igoumenitsa

Kaum haben wir Igoumenitsa verlassen, regnet es auch hier, in den Bergen teilweise sogar mit Schnee vermischt. Die Egnatia Odos, die neue Autobahn die Nordgriechenland komplett durchquert, wird erst ein Jahr später fertig sein. So geht es bergauf, bergab in Richtung Osten. Nach Kalambaka, zu Füßen der Metéora-Klöster. Fast 20 Jahre ist es her, dass ich während einer Interrail-Reise das letzte Mal hier war. Bei Sonnenschein stehen am nächsten Tag mehrere der auf Felsspitzen gebauten Klöster auf dem Besuchsprogramm.

Abgesehen vom eingangs beschriebenen „Zwischenfall“ ist die Einreise nach Mazedonien problemlos. Nach einem Stopp in Bitola und der Besichtigung der dort liegenden römischen Ruinen von Herakleia Lynkestis geht es weiter an den schön gelegenen Ohridsee. In Ohrid, dem mazedonischen Hauptort am See, werden wir von einem Radfahrer „verfolgt“. Es stellt sich heraus, dass er uns eine Unterkunft anbieten will. Sie ist einfach, sauber und zentrumsnah gelegen. Wir nehmen sie.

Unterkunft Ohrid

Unterkunft Ohrid

Ohrid besitzt eine schöne Altstadt, über der die mittelalterliche Festung des Zaren Samuil thront. Die Stadt ist voll von Kirchen, aber auch mehrere Moscheen gibt es. Nach zwei Nächten in Ohrid geht die Fahrt entlang des Ostufers des Ohridsees weiter. Kurz vor der albanischen Grenze besuchen wir noch das sehenswerte Kloster Sveti Naum.

Nun ist es soweit. Albanien steht vor der Tür, oder besser gesagt, wir stehen an der mazedonisch-albanischen Grenze. Bei Albanien beschleicht mich ein bisschen das Gefühl, das ich hatte, als ich nach Vietnam oder Ruanda unterwegs war. Eine gewisse Flauheit. Was wird uns erwarten? Der Grenzübertritt stellt sich als einfach heraus, ja wäre da nicht auch ein Koreaner (oder war es ein Japaner, ich weiß es nicht mehr so genau), der zeitgleich einreisen wollte. Obwohl reichlich Grenzbeamten vorhanden wären, behandelt nur einer uns gleichzeitig (und mit den Formalitäten für einen Asiaten scheint er überfordert). Alles zieht sich etwas hin.

Albanien war bis Ende der 80er Jahre völlig von der Außenwelt abgeschottet. Die Betonbunker aus der Zeit der Isolierung – es gibt davon mehrere Hunderttausend im Land – findet man überall. Besonders viele in Grenzgebieten und Küstennähe.

Im Umfeld größerer Städte sind die Straßen oft schon erneuert, in abgelegenen Gebieten aber auch noch von vielen Schlaglöchern übersät. Und wo die Straße gerade erneuert wird, fährt man einfach mitten durch die Baustelle.

Albanische Straßenbaustelle

Albanische Straßenbaustelle

Die Verteilung der Automarken auf Albaniens Straßen ist einfach: Gut 90 Prozent sind Mercedes (in der Mehrzahl die schon angesprochenen Gebrauchtfahrzeuge). Vom Rest sind ein Großteil Audi 80 (da wir selbst mit einem zum Reisezeitpunkt fast 20 Jahre alten Audi 80 unterwegs sind, fallen wir nicht weiter auf).

Die Kommunikation ist oft nicht einfach. Meine Albanisch-Kenntnisse sind nahe Null, bleibt also nur die Hoffnung, dass sich immer jemand findet, der ein wenig Deutsch oder Englisch spricht. Da bleibt es nicht aus, dass ein bestelltes Essen auch mal nur aus einer Portion Reis und etwas Salat besteht. Umgekehrt hat man auch keine Probleme an Polizeikontrollen. Ein paar Worte auf Deutsch und schon wird man durch gewunken.

Korça ist das Ziel des ersten Tages in Albanien, eine Stadt im Südosten des Landes ohne allzu viele Sehenswürdigkeiten. Entlang des Grammos-Gebirges geht die Fahrt am nächsten Tag nach Përmet. Auffallend sind die zahllosen, sehr neu aussehenden, immer gleichen Verkehrsschilder, bestehend aus einer Kombination der Ankündigung einer Doppelkurve in 1000 Metern und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.

Verkehrsschilder in Albanien

Verkehrsschilder in Albanien

Mit Gjirokastra – der Stadt der Steine – und Butrint – eine auf einer Halbinsel zwischen dem See von Butrint, dem Vivar-Kanal und dem Ionischen Meer gelegenen Ruinenstätte – folgen in den nächsten Tage sehr sehenswerte Orte im Süden des Landes. Von Butrint aus geht es durch die Albanische Riviera – immer entlang der Küste, erst des Ionischen Meeres, später der Adria – in Richtung Norden. In Dhërmi beginnt – straßentechnisch gesehen – das Paradies. Nach fast einem Tag Baustellen und Geholper war mir das einen Stopp wert.

Straße Alt / Neu

Straße Alt / Neu

Übernachten in Orikum an der Bucht von Vlora. Am Morgen Weiterfahrt über Vlora und Apollonia nach Berat, der Stadt der tausend Fenster. Berat ist neben Gjirokastra die  Sehenswürdigkeit Albaniens schlechthin! Aber auch Tirana, die Hauptstadt Albaniens und unser nächstes Ziel, bietet – für mich durchaus überraschend – eine Menge zu sehen.

Nach einer knappen Woche geht mein erster Besuch in Albanien mit der Ausreise nach Montenegro zu Ende. Mir hat das Land – alles in allem – sehr gut gefallen! Die Landschaften, die Städte und insbesondere auch die Albaner selbst. Auch wenn die Verständigungsschwierigkeiten oft groß waren, waren sie immer freundlich und hilfsbereit.

Montenegro – ein verhältnismäßig kleiner Staat, der aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden ist – hat – wie der Namen schon vermuten lässt – viele Berge! Und eine schöne Küste! Nach einer Nacht in Virpazar am Skutarisee fahren wir entlang der Adriaküste weiter nordwärts, ein kurzer Stopp bei Sveti Stefan, längere Stopps in Budva und Kotor, Übernachten in Herceg Novi.

Herceg Novi liegt schon fast an der kroatischen Grenze. Und kurz hinter dieser Grenze liegt Dubrovnik! Der Name Perle der Adria hat voll und ganz seine Berechtigung. Die Altstadt und die Stadtmauer – beide wurden während des Kroatien-Krieges in der Schlacht um Dubrovnik 1991/92 erheblich beschädigt – sind zwischenzeitlich fast komplett wieder restauriert. Ein Rundgang über die fast zwei Kilometer lange Stadtmauer belohnt mit vielen Blicken auf die Stadt und das Meer.

Während wir – abgesehen von der ersten Nacht in San Marino – bisher immer feste Unterkünfte auf dieser Reise hatten, ist in Kroatien wieder das Zelt unser Übernachtungsort. Nicht jeder Campingplatz hat im April schon offen, aber mit ein wenig suchen, finden wir immer einen. Auch wenn, wie in Opuzen geschehen, wir die einzigen Gäste sind (dafür aber auch vom Campingplatzbesitzer auf ein Bier eingeladen werden!).

Campingplatz Opuzen

Campingplatz Opuzen

Von Kroatien machen wir einen Abstecher nach Bosnien-Herzegowina, ich möchte die wieder aufgebaute Alte Brücke (Stari most) über der Neretva in Mostar sehen. Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde sie 1993 im jugoslawischen Bürgerkrieg zerstört. Schon 1995 wurde mit ihrem Wiederaufbau begonnen. Heute erstrahlt sie wieder in ihrer alten Schönheit. Ganz im Gegenteil zu vielen anderen Teilen der Stadt, der man noch immer ihre zahllosen Zerstörungen und Kriegswunden ansieht. Immer wieder stockt einem der Atem, wenn man sieht, was am Ende des 20. Jahrhunderts noch mitten in Europa passieren konnte.

Medjugorje, ein kleiner Ort im Westen Herzegowinas, ist ein Zwischenhalt auf der Fahrt zurück nach Kroatien. Bekannt wurde der Ort durch vermeintliche Marienerscheinungen in den 80er Jahren, die aber von der (offiziellen) katholischen Kirche bis heute nicht anerkannt wurden. Trotzdem besuchen eine Vielzahl von Pilgern diesen Ort.

Zurück an der Dalmatinischen Küste in Kroatien warten mit den Städten Sibenik und Zadar sowie dem Nationalpark Krka weitere Höhepunkte dieser Reise, nur noch getoppt vom Nationalpark Plitvicer Seen. Mit dem Besuch der Plitvicer Seen geht die Reise ihrem Ende entgegen. Auf der Insel Krk, dem nächsten Ziel, regnet es.

Campingplatz Bor auf Krk

Campingplatz Bor auf Krk

Und das Wetter soll in den nächsten nicht besser werden. Ohne viele Stopps fahren wir durch Slowenien und Österreich zurück nach München.

Nie mehr seit der Asien-Reise 2001/2002 habe ich während einer einzigen Reise so viele Länder – San Marino, Mazedonien, Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina – erstmalig besucht. Obwohl der Balkan – wenn man wie ich im Südosten Deutschlands lebt – fast vor der Haustür liegt, war er für mich – bis zu dieser Reise – sehr weit weg. Geprägt durch die Kriegsbilder aus Jugoslawien und der langen Verschlossenheit Albaniens. Mein Bild hat sich geändert. Beeindruckende Landschaften, herausragende Stadtschönheiten, freundliche Menschen, das ist mein neues Bild vom Balkan.

Nationalparks fast ohne Ende – der Südwesten der USA

Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre – die Zeit meines Physikstudiums in Stuttgart – war eine Hoch-Zeit für Diavorträge. Zumindest kommt mir das im Rückblick so vor. Und ein Thema war damals ganz groß, der Südwesten der USA mit seinen grandiosen Landschaften. Diese Region rutsche in meiner Reiseprioritätenliste weit nach oben.

Zwei ganze Jahrzehnte sollten vergehen bis ich mir dieses Wunschziel erfüllen sollte. Im April 2010 war es dann so weit. Die Entscheidung fiel aber schon im Herbst davor. Eine News-Mail der Mark-Knopfler-Webseite enthielt die Konzertdaten seiner Get Lucky-Tour für Nordamerika. Unter anderem auch ein Konzert in Phoenix am 18. April. Ohne mir allzu viel Gedanken zu machen – ich hatte aufgrund eines Siegs des FC Bayerns in der Champions League eh gute Laune an diesem Abend – kaufte ich mir ein Ticket für das besagte Konzert. Man glaubt ja manchmal gar nicht, wie schnell so was in Zeiten des Internets gehen kann.

Ein größeres Problem blieb aber noch, ich musste zu dem Konzert auch hinkommen. Nicht ohne Grund hatte ich ja gerade Phoenix ausgewählt. Phoenix liegt im Südwesten der USA! Und nach etwas Hin- und Hersuchen fand ich die idealen Flüge: Hinflug nonstop von München nach San Francisco, zurück mit Zwischenstopp in Charlotte ab Phoenix. Dass ich diesen Rückflug aus Versehen fast für den 18. April, d.h. für den Tag des Konzerts, gebucht hätte, erwähne ich jetzt nur mal am Rande.

San Francisco International Airport. Nach fast 12 wortlosen Stunden steht mein Sitznachbar genauso wortlos auf. Die Entscheidung – trotz der beengten Verhältnisse – einen Fensterplatz zu reservieren, hatte sich aber als richtig erwiesen. Ich wurde mit einem sensationellen Ausblick auf die Eislandschaften Grönlands und die kanadischen Rocky Mountains belohnt. Der Blick aus dem Flugzeug in San Francisco war allerdings weniger sensationell: Tiefes Grau und strömender Regen. Dabei war dies genau der Grund, die Reise hier beginnen zu lassen. 2006, bei meinem ersten Besuch in San Francisco, hatte ich schon dieses Wetter. Und ich wollte die Stadt doch einmal bei schönem Wetter sehen.

Die Zollkontrolle war länglich, aber eher unterhaltsam als nervig. Allein reisend (ich denke, wenn ich Teddy und Teddine als meine Mitreisenden vorgestellt hätte, wäre meine Lage nicht besser geworden…), syrisches Visum im Pass, nur 70 Dollar Bargeld. Da scheint für den Einreisebeamten Gesprächsbedarf zu bestehen. Aber meine Pakete an Filmmaterial scheinen mich als Touri glaubwürdig zu machen.

Mit dem Wetter hatte ich auch Glück. Der Morgen nach meiner Ankunft bot strahlendes Frühlingswetter! Golden Gate Bridge, Golden Gate Park, Downtown, die Piers, Coit Tower, … Mein zweiter Besuch in San Francisco war ein voller Erfolg. Und nicht nur das Wetter war mir wohlgesinnt. Mein in der Hektik eines Buswechsels heruntergefallener Geldbeutel wird von einem Busmitfahrer sofort entdeckt. Das wäre richtig beschissen gewesen, gleich am ersten Tag der Reise ohne Geld, ohne Ausweise und ohne Kreditkarten dazustehen.  Am nächsten Tag machte mir dann das Wetter einen – wenn auch kleinen – Strich durch die Rechnung. Auf meinem Weg ins Death Valley wollte ich die Strecke über Lake Tahoe nehmen. Schwere Schneefälle in der Sierra Nevada ließen das aber nicht zu. So fuhr ich auf südlicher Route dort hin. Die Pazifikküste sowie die Nationalparks Yosemite und Kings Canyon / Sequoia ließ ich aus, da ich diese schon 2006 bereist hatte.

Der Death Valley Nationalpark war weit abwechslungsreicher als ich mir vorgestellt hatte. Von Sanddünen über farbige Felsformationen bis zum schneeweißen Badwater-Gebiet. Auch die Hitze war – obwohl gerade mal Anfang April – durchaus nicht ohne. Am frühen Nachmittag ging es weiter in Richtung Osten. Es ist beeindruckend wenn man irgendwann die Berge herunterfährt und Las Vegas mitten in der Wüste entdeckt.

Im Gegensatz zu den sonst üblichen Motels entscheide ich mich in Las Vegas für ein Hotel, dem Palace Station. Mein Zimmer ist so abgelegen, dass man es ohne die ausgehängten Pläne nie finden würde. Das Fenster bietet einen Ausblick direkt auf eine einen Meter entfernte Hauswand. Als „Ausgleich“ brummt die Kühlung eines Getränkeautomaten im Hintergrund. Und der Duschkopf läßt darauf schließen, dass der durchschnittliche Nutzer des Zimmers 2 Köpfe kleiner ist als ich. Mit einem Shuttle-Bus gehts zum Las Vegas Strip. Es ist Samstagabend und es ist die Hölle los. Trotz schon leicht müder Knochen laufe ich den Strip einmal hoch und einmal runter. Die Geldmaschinen sehen allerdings keinen Cent von mir.

Am nächsten Morgen ein kurzer Stopp am Hoover Dam, der den Colorado River zum riesigen Lake Mead aufstaut, dann weiter in Richtung Grand Canyon. Meine Idee dort den Sonnenuntergang zu erleben, löst sich auf der Interstate 40 kurz vor Williams im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf. Ein Reifen an meinem Mietwagen platzt.

Koreanischer Plattfuß

Koreanischer Plattfuß

Ich rufe die Mietwagenfirma an. Ich solle warten, spätestens in einer Stunde würde jemand vorbeikommen. Als nach zwei Stunden niemand da ist, rufe ich wieder an. Den abendlichen Grand Canyon habe ich inzwischen gestrichen. Nach vier Stunden habe ich die Schnauze voll. Ich wechsle das Rad selbst und fahre – inzwischen ist es dunkel geworden – nach Flagstaff. Dort wechsle ich den Mietwagen und übernachte auch. Warum ich erst 4 Stunden warte, bis ich das Rad in ein paar Minuten selbst wechsle? Ich weiß es nicht. Warum mich der angekündigte Reparaturdienst nicht findet, obwohl ich direkt an einer viel befahrenen Interstate nur ein paar Meilen vor einem größeren Ort stehe? Das weiß ich allerdings noch weniger.

Den Grand Canyon gibt es dann am nächsten Morgen. Ich bin beeindruckt. Was mich aber aufregt: Steine von den Klippen zu werfen ist beliebt bei Jung und Alt. Den Einwand „Da könnte jemand unten lang laufen“ wird einfach mit dem nächsten Steinwurf beantwortet. Unglaublich.

Sandsturm in Utah

Sandsturm in Utah

Die Weiterfahrt ist von starken Winden geprägt. In baumlosen Gegenden fegt ein regelrechter Sandsturm über die trockene Landschaft. Beim Stopp am Horseshoe Bend, einer wunderschönen Schleife, die der Colorado dort gebildet hat, bleibe ich sicherheitshalber doch recht weit von der Kante weg. Gleich mehrere Höhepunkte bietet der nächste Tag, morgens der Lower Antelope Canyon und der Glen Canyon Dam mit dem Lake Powell, abends der Zion Nationalpark. Aus fotografischen Gründen versuche ich die Hauptsehenswürdigkeiten immer früh morgens oder spät abends anzusteuern.

Mit dem Zion Nationalpark bin ich in Utah angekommen, schon mein vierter Bundesstaat nach Kalifornien, Nevada und Arizona in den wenigen Tagen. Das von den Mormonen geprägte Utah bietet eine Fülle an Natursehenswürdigkeiten. Nicht nur die Nationalparks Zion, Bryce Canyon, Capitol Reef, Canyonlands und Arches sind alle schon eine Reise wert, auch die Landschaften dazwischen sind wunderschön. Und nahezu menschenleer. Selten mal ein kleiner Ort. Einer dieser Orte ist Escalante. Es ist schon Nachmittag und ich habe Hunger. Ich stoppe an einer Tankstelle mit einem Subway.

Die FC Bayern-Tankstelle mit Subway

Die FC Bayern-Tankstelle mit Subway

Tagsüber habe ich normalerweise das Handy aus, man hat eh keinen Empfang. Jetzt schalte ich es aber ein. Und ich bekomme die Nachricht, dass der FC Bayern (trotz der 3:2-Niederlage bei Manchester United) im Halbfinale der Champions League steht. Ich hüpfe innerlich. In weiser Voraussicht hatte ich mir schon im Herbst 2009 Flugtickets für Madrid an Pfingsten 2010 gekauft. Und am Pfingstsamstag ist das Champions League-Endspiel in… Genau! In Madrid. Und die Bayern stehen nur noch zwei Spiele davor.

Die unbewohnten Gebiete bieten nicht nur keinen Handy-Empfang, es gibt auch keinen Radio-Empfang. In Kalifornien gab es ständig Classic Rock-Radiostationen, hier gibt es nur Rauschen. CDs habe ich keine dabei. Die Lösung findet sich aber in Form eines kleinen Kabels, mit dem ich meinen MP3-Spieler mit dem Autoradio verbinden kann.

Das Colorado National Monument bietet noch einmal eine ähnliche Landschaft und insbesondere die roten Farbtönen der Nationalparks von Utah. Danach treten neue Formen und Farben in den Vordergrund. Schwarz im Black Canyon of the Gunnison (wer hätte es bei dem Namen schon erwartet?), weiß vom noch reichlich vorhandenen Schnee in den Rocky Mountains, gelb und grau in den Sanddünen der Great Sand Dunes. Und wieder – dieses Mal richtig blendendes – Weiß im White Sands National Monument, schon in New Mexico gelegen. Ansonsten ist New Mexico eher langweilig, die Altstädte von Taos und Albuquerque verdienen – wenn man europäische Altstädte kennt – ihren Namen nicht.

White Sands ist nicht nur durch ihre Dünen bekannt, auch ist der Ort unmittelbar mit dem Zünden der ersten Atombombe und der amerikanischen Raketenentwicklung verbunden. Der Besuch der Raketenausstellung auf der White Sands Missile Range bleibt nicht das einzige Technik-Highlight dieser Reise. Mit dem Titan Missile Museum in Sahuarita, dem Pima Air & Space Museum in Tucson, dem Kitt Peak National Observatory und mit Biosphere 2 nördlich von Tucson kommen weitere Technik-Sehenswürdigkeiten hinzu. Daneben bleibt aber auch Zeit für das ganz im Süden Arizonas gelegene Chiricahua National Monument, die Westernstadt Tombstone (berühmt durch die Schießerei der Earp-Brüder und Doc Holliday) und den zweigeteilten Saguaro Nationalpark.

Phoenix hatte ich schon ganz am Anfang erwähnt, es bildete den Abschluss dieser über 4000 Meilen langen, dreiwöchigen Reise durch den Südwesten der USA. Von deutlichen Minusgraden im Bryce Canyon Nationalpark bis hochsommerlichem Wetter im in der Wüste gelegenen Phoenix gab es ein breites Temperaturspektrum. Bis auf wenige Ausnahmen war es aber immer sonnig.

Das Mark Knopfler-Konzert, das den kulturellen Höhepunkt der Tour bildete, war sehr gut, die alten Dire Straits-Nummern reissen mich noch immer vom Hocker, aber auch die meist langsameren Solostücke sind live gespielt großartig. Die Band war gut drauf, der Meister selbst sehr gesprächig. Das Ambiente, eine relativ kleine Konzerthalle, in der Downtown von Phoenix sehr passend.

Fast hätte ich die Reise sogar noch unfreiwillig verlängert, da ein Vulkanausbruch auf Island den ganzen Transatlantikluftverkehr unterbrochen hatte. Mit einer gewissen Nervosität verfolgte ich während der letzten Tage meines Urlaubes die Entwicklung. Auch wenn es in amerikanischen Nachrichtensendungen praktisch keine Rolle spielte (was ist so ein Vulkanausbruch im Vergleich zu einer entlaufenen Katze in irgendeiner Ecke von Nebraska…), konnte ich die Nachrichten über weltweit gestrandete Passagiere im Internet verfolgen. Ich hatte Glück, genau nach Plan kam ich wieder in München an. Mein Gepäck allerdings nicht. Es brauchte einen Tag länger.

Mit der schon erwähnten Ausnahme Las Vegas habe ich auf dieser Reise immer in Motels übernachtet, meist unterwegs gesucht, an den Wochenenden auch mal einen Tag vorher reserviert. Die Zimmer sind fast immer groß, oftmals auch riesig. Der Zimmerpreis lag meist zwischen 50 und 60 Dollar, teure Ausnahmen wie das Best Western in Line Pine (auf dem Weg ins Death Valley) mit knapp über 100 Dollar gab es allerdings auch, Alleinreisenden-Rabatt selten. Das Frühstück amerikanischer Motels ist – in einem einfachen Wort gesprochen – ein Witz. Ein paar Toastscheiben, Käseecken, Kaffee aus dem Automaten. Und das alles auf Papptellern, mit Plastikgeschirr und in Plastikbechern. Mir ist es ziemlich egal, ich bin kein großer Frühstücker. Warum sich die Amerikaner das aber gefallen lassen, ist mir ein Rätsel. Die einzige Erklärung, die mir einfällt ist, ist die, dass sie nichts anderes gewöhnt sind.

Pima Air & Space Museum

Steine im Dom

Von meinen jährlichen Treffen mit alten Studienfreunden habe ich schon berichtet. Mit einem aus dieser Gruppe hatte ich meine Diplomarbeitszeit am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung verbracht (speziell im A-Raum – was für ein unglaublich einfallsreicher Namen für ein Labor! Und ja, den B-Raum gab es auch… – des Pelletron-Gebäudes). Dieser Freund promovierte später und ging für eine Post-Doc-Stelle 1994 nach Japan. Gerne dürfe ich ihn doch auch dort mal besuchen…

Ich hatte Europa zu diesem Zeitpunkt noch nie verlassen (mit einem gewissen geologischen Anspruch könnte man sagen, dass der westliche Teil Islands zu Amerika, Teile der Azoren gar zu Afrika gehören…), finanziell war das während des Studiums (oder gar davor) und jetzt – mitten in meinen Osnabrücker Windkraftzeiten – einfach nicht drin. Aber ich ließ mich zu der Aussage hinreißen, wenn er Karten für die Rolling Stones in Tokio besorgen würde, dann würde ich zu dem Konzert mitkommen (woher ich von diesen Konzerten wusste – man darf nicht vergessen, 1994 ist noch das Vor-Web-Zeitalter (zumindest was den allgemeinen Privatgebrauch betrifft) -, kann ich heute nicht mehr sagen). So richtig ernst, habe ich das nicht genommen und Tickets bekommt man bestimmt auch nicht so leicht.

Ich denke, es war um die Weihnachtszeit 1994, als ich erfuhr, dass mein Studienfreund zwei Tickets für ein Rolling Stones-Konzert am 17. März 1995 bekommen hatte. In Tokio. Nun musste ich nur noch meinen Teil des Versprechens einlösen…

Ich kratzte mein Geld zusammen, hatte die Aussicht durch einen Windkraft-Vortrag ein paar Yen zuverdienen und die Möglichkeit in einer Studentenunterkunft umsonst übernachten zu können. Mit deutschem Wein und mehrsprachigen (!) Osnabrück-Bildbänden im Gepäck (als Gastgeschenke für die Unterkunftsverwalterin und den Professor, der meinen Vortrag organisierte) ging es los.  Zug von Osnabrück nach Düsseldorf, kurzer Hüpfer nach Brüssel und weiter nach Tokio.

Für den Weg von Narita, den nordöstlich von Tokio gelegenen internationalen Flughafen, nach Hiratsukaka, den Ort der Post-Doc-Stelle meines Studienfreundes (und südlich von Tokio gelegen), hatte ich eine genaue Beschreibung in der Tasche. Flughafenzug nach Shinjuku im Zentrum Tokios, dort in einen Zug der Odakyū Odawara Line, einer S-Bahn-artige Vorortbahn, umsteigen und am Bahnhof Hadano wieder raus. Hört sich einfach an, oder? Für den Flughafen stimmt das auch, da ist das meiste auch auf Englisch angeschrieben. In Shinjuku aber nicht. Die Abfahrtsgleise der Odakyū Odawara Line hatte ich schnell gefunden, nur ist diese Line genaugenommen zwei Linien. Und nur auf einer Linie liegt mein Zielbahnhof. Ich zeige meinen Zettel mit den japanischen Schriftzeichen meiner Endstation herum und irgendwann heißt es, das sei mein Zug. „Heißt es“ ist eigentlich falsch, die Japaner sind hilfsbereit, vermeiden aber das gesprochene (englische) Wort.

Ich komme an und freue mich auf die Unterkunft in Hiratsuka. Sie bietet bei klarem Wetter einen Blick auf Japans heiligem Berg, dem Fuji.

Hiratsuka mit Fuji

Hiratsuka mit Fuji

An weniger klaren Tagen – das waren leider die meisten während meines knapp zweiwöchigen Aufenthalts – hat  man immer noch den Ausblick auf eine Straßenbaustelle vor dem Haus. Das klingt jetzt nicht besonders spannend, ist es wohl auch nicht, hat aber – zumindest für einen Nicht-Japaner – einen gewissen Unterhaltungswert. Der Verkehr an der Baustelle wird durch – in schicke Uniformen und weiße Handschuhe gekleidete – Menschen geregelt, die sogenannten „Winker“, einen Namen, den sie von mir aufgrund ihrer Tätigkeit bekamen. Und sie taten das – und tun es vielleicht noch immer – mit einer unglaublichen Gewissenhaftigkeit…

Neben dem oben erwähnten Windkraft-Vortrag stehen in den ersten Tagen Ausflüge in die nähere Umgebung an, darunter das nicht enden wollende Häusermeer Tokios, die Kleinstadt Odawara und die Insel Enoshima. Selbst in Tokio sieht man wenige westliche Touristen, außerhalb fast gar nicht. Und das „Sehen“ ist in diesem Fall einfach, da die meisten Nicht-Japaner selbst in Menschenmeeren aufgrund ihrer Körpergröße immer schnell sichtbar sind. An das Fehlen lateinischer Buchstaben gewöhne ich mich schnell. Ausgerüstet mit den Schriftzeichen der wichtigsten Orten komme ich überall klar. Und richtig genial sind die Shokuhin sampuru, nachgemachte Nahrungsmittel aus Plastik, die sich im Schaufenster eines jeden Restaurants befinden.

Shokuhin sampuru

Shokuhin sampuru

Und Shokuhin sampuru gibt es nicht nur für Essen…

Shokuhin sampuru

Shokuhin sampuru

Verhungern kann man also nicht. Und obwohl das Preisniveau in Japan relativ hoch ist – die wahrscheinlich bis heute teuerste Dose Bier in meinem Leben trinke ich im Hard Rock Cafe Tokios -, ist das Essen in einfachen Restaurants bezahlbar und gut.

Um nicht nur Tokio und seine Umgebung kennenzulernen, habe ich schon vor der Reise den Japan Rail Pass gekauft (das „vor der Reise“ ist wichtig, man bekommt den Pass nur im Ausland!). Mit ihm hat man die Möglichkeit alle Züge von Japan Rail für einen bestimmten Zeitraum ohne zusätzliche Kosten zu nutzen, insbesondere auch die Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen.

Japan Rail Pass

Japan Rail Pass

Ausflüge in die Hunderte Kilometer entfernten Städte Sendai (relativ weit im Norden Honshus), Kyoto und Nara (beide südwestlich von Tokio gelegen) sind damit problemlos an einem Tag möglich. Morgens hin, abends zurück. Kyoto vermittelt einen gewissen Eindruck des „alten“ Japans, die Stadt hatte als eine der wenigen Städte Japans das Glück, nicht im Zweiten Weltkrieg zerstört zu werden. Ein Tagesausflug nach Hiroshima (seine Zerstörung durch eine Atombombe jährt sich heute das 65. Mal) klappt nicht, die Shinkansen-Linie dorthin ist durch ein schweres Erdbeben teilweise zerstört.

Noch fehlen allerdings die „Auslöser“ der Japan-Reise. Die Rolling Stones. An insgesamt sieben Abenden treten sie im Rahmen ihrer Voodoo Lounge-Tour im Tokyo Dome, einem überdachten Baseballstadion für über 50000 Zuschauer, auf.

Wir haben Tickets für die Tribüne, was für die hinter uns stehenden Japaner zumindest eine gewisse Möglichkeit bietet, auch etwas zu sehen (alle Plätze im Stadion sind zwar Sitzplätze, aber alle Besucher stehen mit Beginn des ersten Tones von Not Fade Away auf, und das obwohl der Stadionsprecher doch gesagt hatte, man solle während des Konzertes sitzen bleiben…). Das allgemeine Aufstehen ist nicht das einzig Auffallende, ein Großteil des Publikums ist im Anzug gekommen, oft mit Aktentasche (was wohl am frühen Beginn des Konzertes liegt), und spendet Beifall eher zurückhaltend. Ein kurzes Klatschen am Ende jeder Nummer, das wars. Da fallen die wenigen Westler im Publikum gleich wieder auf…

Tokyo Dome: The Rolling Stones

Tokyo Dome: The Rolling Stones

Der frühe Beginn des Konzerts hatte auch ein frühes Ende zur Folge. Mit einem Vorortzug ging es „nach Hause“. Wir unterhielten uns auf Deutsch. Das erregte die Aufmerksamkeit eines älteren Japaners, der sich als Medizinprofessor vorstellte. Er berichtete davon, dass er regelmäßig in Hamburg gewesen ist, und dadurch auch ein wenig Deutsch gelernt hat. Um das Gespräch noch fortzusetzen lud er uns auf ein Essen in einem japanischen Restaurant ein. Mit Sushi und reichlich Sake, dem japanischen Reiswein, wurde es ein lustiger Abend. Später folgten noch ein paar Dosen Bier und Indiana Jones im Gemeinschaftsraum der „heimischen“ Unterkunft.

Am Tag drauf begann das große Leiden, nicht wegen Sake und Bier, vielmehr hatte mich die japanische Grippe erwischt. Die Ausflüge nach Kamakura und in den Fuji-Hakone-Izu-Nationalpark konnte ich leider nur noch bedingt genießen. Der ewig-lange Rückflug nach Europa war in der trocknen Flugzeugluft ein ziemlicher Horror. Dabei hatte ich großes Glück und ging dem wahren Horror aus dem Weg. Am Morgen meines Rückfluges waren die Giftgasanschläge in der Tokioter U-Bahn.

Japan war ein Erlebnis, keine Frage. Auf der Liste der Länder, die ich für eine Reise in den Fernen Osten empfehlen würde, steht es aber nicht ganz oben. Im Vergleich zu China oder den Staaten Südostasiens ist es sehr teuer, auch die touristischen Höhepunkte sind – wenn man nicht riesige, unüberschaubare Stadtlandschaften ohne Ende liebt – von begrenzter Anzahl. Ergibt sich aber – wie in meinem Fall – eine (relativ) „günstige“ Gelegenheit nach Japan zu reisen, dann nur zu!